© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/07 16. März 2007

Streit im Dritten Lager
Österreich: Der nationalkatholische Abgeordnete Stadler hat nach Streit mit Strache die FPÖ verlassen
Bernd Christoph Ströhm

Seit 22 Jahren war der aus Vorarlberg stammende Ewald Stadler für die Freiheitlichen politisch tätig. Zunächst als Gemeindevertreter, ab 1989 als Landtagsabgeordneter, später als Mitglied der Landes- und Bundesparteileitung der FPÖ. 1999 trat er in die niederösterreichische Landesregierung ein. 2001 wurde er für die FPÖ zu einem der drei österreichischen Volksanwälte ernannt, die als Ombudsmänner Eingaben und Beschwerden der Bevölkerung bearbeiten und vertreten.

Doch am 7. März gab der 45jährige Jurist nun seinen Parteiaustritt bekannt - nicht einmal ein halbes Jahr nach seiner Wahl in den Nationalrat, wo er seit Oktober 2006 als Fraktionsvize saß. Anzeichen dafür gab es viele - und das seit längerem. Zuletzt war das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und seinem Parteichef Heinz-Christian Strache mehr als angespannt. Zum endgültigen Bruch kam es allerdings erst, nachdem Stadler für das Auftauchen von umstrittenen "Wehrsportfotos" aus der Jugendzeit des FPÖ-Vorsitzenden verantwortlich gemacht wurde.

Diese Fotoaffäre (JF 6/07) stürzte die FPÖ erneut in eine Krise. Dabei hatte man angesichts durchweg zweistelliger Wahlergebnisse geglaubt, die Querelen nach der Abspaltung des Bündnis Zukunft Österreich unter Ex-FPÖ-Chef Jörg Haider endgültig überwunden zu haben. Stadler beteuerte allerdings fortlaufend, die Fotos zwar erhalten, sie allerdings sofort an den FPÖ-Ehrenobmann (und neuen Volksanwalt) Hilmar Kabas weitergeleitet zu haben. Dennoch stellte sich die Frage, wie diese Fotos, die Strache in Wehrsportuniform und zweifelhaften Posen zeigten, an die Medien gelangt sind.

Parteichef Strache hat den FPÖ-Machtkampf gewonnen

Strache behauptete, daß Stadler ihn durch "Erpressung" zum Rücktritt vom FPÖ-Vorsitz zwingen wollte. "Das war eine Kampagne, die ein klares Ziel hatte, nämlich meine Person abzuschießen", so Strache. Ein im Auftrag von FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky durch Kabas erstellter Bericht bestätigte angeblich Stadlers aktive Beteiligung an der Fotoaktion: "Durch den Sachverhalt ergibt sich, daß der Tatbestand der massivsten Parteischädigung von Magister Ewald Stadler evident ist."

Doch jenseits der medialen Aufregung um Straches "Jugendsünden" sind die Gräben in Wahrheit ideologischer Natur. Schon seit dem Amtsantritt des inzwischen 37jährigen geschiedenen "Partylöwen" Strache streitet der konservative Aktivist und sechsfache Familienvater, der der katholischen Priesterbruderschaft St. Pius X. nahesteht, um die politische Richtung der FPÖ. Während Stadler sich für eine katholisch-konservative Partei einsetzt, ist sein Parteichef der nationalliberalen Tradition und dem Sozialpopulismus der erfolgreichen Haider-Zeit von 1986 bis 2000 treu geblieben.

Angesichts der wachsenden Wahlerfolge mit dem Strache-Konzept wurde der "wehrhafte Christ" oder der "katholische Taliban" (wie Stadler je nach Medium bezeichnet wird) politisch zunehmend ins Abseits gedrängt. Stadler wurde aus dem Chefsessel der FPÖ-Parteiakademie gehievt, da man befürchtete, daß er diese nach seinen konservativ-katholischen Richtlinien ausgestalten würde. Außerdem war es kein Geheimnis, daß Stadler nach der Abspaltung von Haiders BZÖ den Posten des FPÖ-Parteichefs haben wollte.

Doch diesen bekam im April 2005 Strache, der in Wien dann einen erfolgreichen Wahlkampf führte. Hinzu kam noch der - trotz Stimmengewinnen - knappe Verlust des dritten Platzes bei der Nationalratswahl 2006 an die Grünen, die dadurch erstmals den dritten Nationalratspräsidenten stellen. Dieser Posten war angeblich Stadler versprochen worden. Nach diesen internen Konflikten schien der Bruch vollkommen. Im Februar konnte der EU-Abgeordneter Andreas Mölzer noch einmal zwischen den Kontrahenten vermitteln. Doch diese "Versöhnung" scheiterte letztendlich, denn das öffentlich-rechtliche Fernsehen (ORF) und die Presse machten einen derartigen Wirbel um die "Fotoaffäre", daß die FPÖ keine andere Wahl hatte, als Köpfe rollen zu lassen.

Stadler bleibt weiter Mitglied im Parlamentsklub

Eine Parteivorstandssitzung sollte am 8. März über Stadlers Zukunft beschließen. Ein Parteiausschluß sei unvermeidbar, meinte die FPÖ-Führung. Dem kam Stadler mit seinem Rücktritt einen Tag zuvor. "Wenn Strache so weitermacht, wird es in spätestens zwei Jahren Verhältnisse wie bei den burgenländischen Freiheitlichen geben, die sich seit Wochen im Dauerkrieg befinden", meinte Stadler und verglich das Vorgehen der FPÖ mit "DDR-Methoden". Doch er verläßt nicht allein die FPÖ: Peter Böhm, langjähriger Fraktionsführer im Bundesrat (der Länderkammer), geht mit Stadler. "Der Umgang der Partei mit Stadler, seine Entmachtung in der Akademie waren nicht in Ordnung", erklärte er der Wiener Presse. Und daß die FPÖ die SPÖ bei Sozialthemen "links zu überholen versucht, gefällt mir auch nicht". Böhm bezweifelte übrigens, daß es eine Zweidrittel-Mehrheit gegen Stadler gegeben hätte: "Er wollte mit seinem Schritt einfach eine Zerreißprobe vermeiden."

Daß Stadler nun eine dritte Partei des Dritten Lagers (nach FPÖ und BZÖ) gründet, ist unwahrscheinlich. Das bundesweite Scheitern des BZÖ, daß 2006 nur dank der Kärntner "Haider-Fans" mit knapp vier Prozent in den Nationalrat kam, ist ein abschreckendes Beispiel. Zudem ist die katholisch-konservative Wählerklientel zum Teil immer noch tief bei der ÖVP verwurzelt. Stadler will den Freiheitlichen daher zumindest indirekt weiter die Treue halten.

Stadler trat zwar aus der FPÖ aus, er bleibt aber dem freiheitlichen Parlamentsklub formell als Mitglied erhalten. Und in den laufenden Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen wird Stadler ebenfalls bleiben. "Die jetzige Lösung ist ohnehin der Wunsch der Parteispitze gewesen", versicherte Stadler der Öffentlichkeit. Verständlich wird dieses Vorgehen auch dadurch, daß er so der FPÖ-Fraktion einen Finanzzuschuß von 400.000 Euro sichert - die werden erst ab 21 Klubmitgliedern gezahlt.

Foto: Stadler (l.) und Strache bei Parteiklausur 2006 auf Burg Hochosterwitz: Der "Katholische Taliban" unterliegt dem "Partylöwen"


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