© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/07 09. März 2007

CD: Pop/Rock
Alles Hymnen
Dominik Tischleder

Vor rund einem Vierteljahrhundert gründete sich im heutigen Slowenien eine Band, die mittlerweile in Sachen Pop der Exportschlager ihrer Heimat ist: Laibach. Die Gruppe versteht sich als "musikalischer Arm" des Künstlerkollektivs Neue Slowenische Kunst (NSK), das auch Künstler anderer Bereiche umfaßt. Ihr provokantes Auftreten, ihre Ästhetik, beabsichtigte ein ironischer Wiederschein der gelenkten und ideologisch aufgeladenen Kunst totalitärer Staaten zu sein. Zugleich gaben sie sich dadaistisch inhaltsleer und auffallend germanophil. Ihr Name, die deutsche Bezeichnung Ljubljanas, war bereits Provokation genug. Im kommunistischen Jugoslawien galten Laibach als ein subversives Element. Auftrittsverbote waren die Konsequenz.

Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde es für Laibach zunehmend schwieriger, sich als Kraft des Aufruhrs im Popgeschäft zu behaupten. Ihr vorletztes Album "Wat" etwa schien zu gefälliger Discomusik eine Wesensverwandtschaft zwischen Islamismus und US-amerikanischer Heilsideologie herauszuarbeiten.

Ihrer mythenreichen Geschichte, ihre Nähe zur Avantgarde, haben es Laibach wohl zu verdanken, daß die Musikpresse auf sie meist etwas eingeschüchtert reagiert. Was immer sie tun, das Gros der Kritiker würde eine diffuse "Tiefe" vermuten. Derweil suhlen sie sich in ihrer Narrenfreiheit, dabei ist die Gruppe inzwischen längst zu einer gewöhnlichen, wenn auch musikalisch stets wandlungsfähigen Rockband geworden.

In dieser Situation gelang es dem Kollektiv im vergangenen Herbst mit Veröffentlichung des neuen Albums "Volk" noch einmal zu überraschen, und das sowohl musikalisch als auch vor allem konzeptionell. Das Werk ist für Laibach-Verhältnisse ein ungewohnt liebliches und poppiges Album geworden. Die slawische Rohheit, die sonst über alle musikalischen Wandlungen hinweg so typisch für das Kollektiv war, wird man vergebens suchen. Auf "Volk" interpretiert die Gruppe die Nationalhymnen vierzehn auserwählter Völker und Staaten. Die Originalmelodie der Hymnen tauchen dabei, wenn überhaupt, nur in Versatzstücken auf, was bleibt sind jeweils Teile des Textes, die mit Kommentaren rezitativ ergänzt werden. Laibach analysieren spielerisch die Situation einer jeden Nation im internationalen Kräftespiel und geben ihr eine "Aufgabe" mit auf den Weg. Los geht es mit "Germania" und dem Deutschlandlied in allen drei Strophen. Laibach fordern uns auf, endlich ein weniger neurotisches Verhältnis zu unserer Nation zu entwickeln. Es folgt die Nationalhymne der USA, laut Laibach "the end of history". Das CD-Beiheft ist gespickt mit Zitaten, die vehement das Englische als einzige Weltsprache proklamieren, eine abschreckende Wirkung scheint intendiert.

"Volk" ist nach vielen Jahren mal wieder ein Laibach-Album, das geschickt jenes vielschichtige Spiel mit politischer Symbolik spielt, das die Gruppe einst berühmt machte. Deswegen melden linksradikale Kritiker nun wieder "Bedenken" an. Das scheint etwas panisch überinterpretiert, immerhin wünscht man sich auf "Volk" über weite Strecken nichts Geringeres als den großen Weltfrieden, etwa wenn die israelische Hymne bedeutungsschwanger mit der Palästinas gemischt wird.

Dennoch sind die Zeichen nicht zu übersehen: Ganz ohne interpretatorisch doppelten Boden wird hier ein "Denken in Völkern" als popmusikalisches Panorama entfaltet. Nationale Identität scheint als politischer Faktor ersten Ranges identifiziert.Nicht zuletzt deshalb ist "Volk" ein intellektuell stimulierendes Album geworden, bei dem die eigentliche Musik fast schon Nebensache ist. Laibach selbst drücken es so aus: "Pop ist Musik für Schafe, und wir sind die als Schäferhunde verkleideten Wölfe."


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