© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/07 09. März 2007

Die Hofnachfolge ist in Gefahr
Landwirtschaft: Eine überzogene Erbschaftsteuerreform könnte das deutsche Bauernsterben weiter beschleunigen
Harald Ströhlein

Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BverfG 1 BvL 10/02) ist der momentane Besteuerungsmodus von Erbschaften nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Nicht nur Immobilienbesitzer (JF 7/07), sondern auch Bauern bangen nun um ihr Lebenswerk, sollten die Bewertungsmaßstäbe in der Hofnachfolge geändert werden. Dorn im Auge der Karlsruher Richter ist die "Wertermittlung bei wesentlichen Gruppen von Vermögensgegenständen, die den Anforderungen des Gleichheitssatzes nicht genügt" - sprich: die unterschiedliche Besteuerung von Bungalows, Boden und Barem.

Nach derzeit gültigem Recht (Paragraph 19, Absatz 1 des Erbschaftssteuergesetzes) wird der für einen Erben fällige Steuerbetrag errechnet, indem die nicht als Geldsumme vorliegenden zu versteuernden Vermögenswerte nach dem sogenannten Bewertungsgesetz in einen Geldwert umgerechnet werden. Diese Werte der einzelnen Vermögensgegenstände werden aber auf unterschiedlichste Art ermittelt. Als Regelfall nennt das Gesetz den "gemeinen Wert" (Verkehrswert). Der Wert von Grundbesitz indes wird über das Ertragswertverfahren errechnet, und Betriebsvermögen wird nach dem Steuerbilanzwert ermittelt.

Nach Meinung der Richter werde beispielsweise durch die mit dem starren Einheitsvervielfältiger von 12,5 erfolgte Bewertung von bebauten Grundstücken der gemeine Wert "regelmäßig" verfehlt, und die Steuerbilanzwerte von Wirtschaftsgütern stimmten "nur in Ausnahmefällen" mit dem jeweiligen Verkehrswert überein. Einer "gleichmäßigen Belastung" genüge das geltende Erbschaft- und Schenkungssteuerrecht in keinster Weise. Man überläßt es aber dem Gesetzgeber, die richtige Wahl der Wertermittlungsmethode bis Ende 2008 zu finden.

Der Richterspruch wurde von der SPD begrüßt, da "der Ungleichbehandlung der verschiedenen Vermögensarten ein Ende gesetzt wurde". Die Linkspartei rief sogleich nach einer sozial gerechteren Erbschaftsteuerreform. Zustimmung kam auch von der Unionsfraktion, die einen gewagten Zusammenhang zwischen dem Urteil und den "Entlastungen bei der Erbschaftsteuer" sowie dem Erhalt und der Schaffung von Arbeitsplätzen sah. Die FDP warnte immerhin davor, "ideologische Irrwege" zu Lasten der Eigentümer land- und forstwirtschaftlicher Betriebe zu gehen.

In der Tat wäre die Landwirtschaft von einer einschneidenden Gesetzesänderung am meisten betroffen. Landwirtschaftliches Vermögen nicht mehr nach dem Ertragswert, sondern nach aktuellen Verkehrswert zu bemessen, würde - so Kritiker aus dem landwirtschaftlichen Lager - die Existenz zahlreicher Betriebe bedrohen und zudem das geplante Gesetz zur erleichterten Unternehmensnachfolge indirekt in Frage stellen. Vorgesehen ist hierbei, daß die Erbschaftsteuer auf produktives Betriebsvermögen über einen Zeitraum von zehn Jahren erlassen wird - wenn die Erben das Unternehmen in vergleichbarer Weise fortführen. Immerhin denkt man darüber nach, Erben von Grund und Boden zu entlasten, sofern "Gemeinwohlgründe" vorliegen. Solche könnten die Bauern für die Pflege unserer Kulturlandschaft beispielsweise in den Bergregionen postulieren.

Viertgrößter Gewerbezweig in Deutschland mitbetroffen

Glaubt man den Verbandsvertretern des Bauernstandes, stehen zahlreiche Existenzen landwirtschaftlicher Betriebe durch das Karlsruher Urteil auf dem Spiel. Das wäre alles andere als wünschenswert. Alleine im früheren Bundesgebiet verringerte sich die Zahl der in der Landwirtschaft tätigen Personen eklatant von knapp 6,8 Millionen im Jahre 1950 auf nur noch rund 1,1 Millionen Menschen 2005. Bei einer jährlichen Schwundrate von knapp drei Prozent zählte man zuletzt etwa 366.000 Betriebe; über 1,6 Millionen waren es noch 1950. Daß zudem ein nennenswertes Gewerbe an diesem Tropf hängt, ist in diesem Zusammenhang erwähnenswert. Alleine die nachgelagerte Ernährungsindustrie erreichte im vergangenen Jahr durch die Be- und Verarbeitung landwirtschaftlicher Güter einen Umsatz von knapp 140 Milliarden Euro, wodurch sie - nach Automobilindustrie, Maschinenbau und chemischer Industrie - zum viertgrößten Gewerbezweig avancierte. Entsprechend besorgt zeigt sich der Deutsche Bauernverband, der im Ertragswertverfahren das "einzig sachlich richtige" Verfahren zur Bewertung landwirtschaftlichen Vermögens sieht. Auch die Arbeitsgemeinschaft der Grundbesitzerverbände springt für die Bauern in die Bresche und sieht in dem Urteil den "Dreh- und Angelpunkt", ob Bauerhöfe erhalten bleiben oder nicht. Ebenso ist für die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände der Richterspruch nicht nachvollziehbar. Deren Aussage zufolge nehmen die Belastungen des Eigentums der mehr als zwei Millionen Waldbesitzer in Deutschland mehr und mehr zu.

Die Rat eines Steuerexperten, das "geltende Recht bei der Übertragung von Hof oder Haus noch auszunutzen", läßt schlußfolgern: Mehr als wahrscheinlich ist, daß ein Erbe im Zuge der geforderten Neubewertung mehr Steuern zu entrichten hätte. Angesichts der nach oben offenen Erbschaftssteuerskala mit einem aktuellen Gesamtwert von etwa vier Milliarden Euro dürfte schon jetzt manchem Berliner Financier das Wasser im Munde zusammenlaufen.

Foto: Deutscher Bauerhof: Das geltende Erbrecht noch ausnutzen


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