© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/07 09. März 2007

Christa Müller
Die linke Konservative
von Ellen Kositza

Damals, als Fachfrau für Wirtschaftsfragen, galt Christa Müller dem sozialistischen Parteinachwuchs als schnieke "Nadelstreifen-Tussi". Später, mit platinblondem Bürstenschnitt, war sie die "deutsche Hillary Clinton": die kompetente Frau und Strippenzieherin hinter einem im Grunde ahnungslosen Politiker. Müller erschien vielen als Karrierefrau nach Maß; eine, die sich mustergültig im Beruf verwirklicht und dem Gatten Oskar Lafontaine bei dessen Presseerklärung kurzerhand den gemeinsamen Sohn auf die Schultern setzt. Unvergessen auch, wie sie als Gesprächsgast im ZDF-Studio den kleinen Carl-Maurice samt betreuendem Vater einfach mitbrachte und sich - mitnickend - zur Seite setzte.

Diejenigen, die sie damals als "Rollenbrecherin" feierten, nennen sie heute "ideologisch verwirrt" und ihre Äußerungen zur Krippendebatte "peinliche Entgleisungen". Was man von Unionsfrauen erwartet hätte - und was ausblieb -, leistet nun Müller als familienpolitische Sprecherin der saarländischen Linkspartei: Sie stärkte in puncto Krippenkritik Bischof Mixa den Rücken, schloß sich den Thesen Eva Hermans zum Holzweg der Frauenemanzipation an und sitzt auch innerparteiliche Schelte beharrlich aus. Allzu überraschend kam ihr Engagement für hausfräuliche Tätigkeiten und den Mutterberuf dabei nicht. Im vergangenen Jahr hat sie in ihrer Partei - Müller ist 2005 der WASG beigetreten - ein Konzept für ein Erziehungsgehalt durchgesetzt, das die Zahlung von 1.560 Euro monatlich im ersten, 960 Euro im zweiten und dritten Lebensjahr eines Kindes beinhalten soll.

Bereits 2005 plädierte sie bei Maischberger für eine Aufwertung der klassischen Ehe, ein Recht auf "ungestörte Mutterschaft" und eine Honorierung der Hausarbeit; Forderungen, die sie ähnlich schon als Studentin der Volks- und Betriebswirtschaft veröffentlicht hatte. Dazwischen machte die heute 48jährige Tochter eines Frankfurter Hotelierpaares Karriere bei der EG in Brüssel und als wirtschaftswissenschaftliche Beraterin bei der SPD. Sie arbeitete in der hessischen Staatskanzlei und verfaßte Studien für die Friedrich-Ebert-Stiftung, engagiert sich bis heute in leitender Stellung für den Verein "intact" gegen Frauenbeschneidung. 1993 heiratete sie Oskar Lafontaine, 1997 kam der Sohn zur Welt, 1998 verfaßte sie mit ihrem Mann ein Buch zu Globalisierungsfragen.

Daß sie damals ein Kindermädchen beschäftigte und ihre "Texte neben der Wiege tippte", hält die linke Intellektuelle für "einen Riesenfehler", sie sei schlicht von der Debatte geprägt gewesen, daß Mütter neben der Familienarbeit erwerbstätig sein müßten. "Karrierefrauen irren sich", beharrt sie heute. In der Familienvilla nahe Saarlouis schultert Müller die familiären Aufgaben selbst: neben der Erziehung des Sohnes die Pflege der greisen Schwieger- und der eigenen Mutter. Daß sie der Öffentlichkeit nicht den Rücken gekehrt hat, zeigt die aktuelle Diskussion. Es heißt, sie plane ein Buch, Titel "Achtung Hausfrau!". Gewinnbringende Lektüre, so scheint es.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen