© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/07 02. März 2007

Frisch gepresst

Bürgerliche Musik. Spätestens seit der Zusammenarbeit zwischen Bert Brecht und Kurt Weill wissen wir, daß Musikgenuß nie „unschuldig“ ist. Denn auch Töne können schließlich „sozial transparent“ (Weill) gemacht werden. Entsprechend hoch schätzte der Musikästhet Theodor W. Adorno den Anteil der Musik an der Stiftung kapitalistischer „Verblendungszusammenhänge“ ein. Ergiebig muß daher die Ausbeute einer Untersuchung sein, die weit ins 18. Jahrhundert zurückgeht, um die Ideologieproduktion als „Politik der Musikgeschichtsschreibung in Deutschland von 1776 bis 1871“ zu durchleuchten, wie Frank Hentschels an der FU Berlin eingereichte Habilitationsschrift dies tut (Bürgerliche Ideologie und Musik. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2006, broschiert, 539 Seiten, 45 Euro). Daß die „emanzipativen“ Denkfiguren dabei nach 1848 von „nationalistischen“ abgelöst werden, daß der „Ethnozentrismus“ einer „deutschen Musik“ triumphiert, ist freilich für den nicht überraschend, der einmal einen Blick in die „Betrachtungen eines Unpolitischen“ und den mit Adornos Hilfe entstandenen „Doktor Faustus“ von Thomas Mann geworfen hat.

Württemberg. Nach seiner Emiritierung hat der Tübinger Neuhistoriker Bernhard Mann nun den in den vergangenen Jahren als regionale „Kleine Geschichte“ (Rheinland Pfalz, JF 2/07; Kurpfalz, JF 5/06; Baden JF 26/05) erschienenen historischen Übersichten die seines langjährigen Forschungsgebietes –nämlich Württemberg – hinzugefügt. Allerdings beschränkt er sich auf „die große Zeit“ des Landes zwischen 1806 und 1918. Als Nutznießer des Reichsdeputationshauptschlusses 1803 stieg das um viele kleinere geistliche Herrschaften und Reichsstädte vergrößerte Herzogtum unter Napoleons Gnaden zum Königreich auf. Anders als zum Beispiel in Sachsen erkannte der neue König Friedrich I. allerdings rechtzeitig, daß eine Parteinahme für den französischen Usurpatoren nicht mehr angebracht war. Dadurch trat Württemberg nach dem Wiener Kongreß als gestärkte süddeutsche Monarchie hervor, deren verbleichende Macht nach 1871 im Deutschen Reich mit Abdankung von König Wilhelm II. im „Freien Volksstaat Württemberg“ endete (Kleine Geschichte des Königreichs Württemberg 1806–1918. DRW-Verlag, Leinfelden-Echterdingen 2006, gebunden, 280 Seiten, Abbildungen, 17,90 Euro).


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