© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/07 02. März 2007

Gebiet im Länderschacher
Südtirol nach 1945
Beatrix Madl

Die Tragweite des Abkommens zur Autonomie Südtirols vom 5. September 1946 zwischen dem damaligen österreichischen Außenminister Karl Gruber und seinem italienischen Amtskollegen Alcide de Gasperi ist unter Historikern immer noch heftig umstritten. Wenn der Innsbrucker Professor für Zeitgeschichte Rolf Steininger im Vorwort zur Neuauflage von 2006 schreibt, seine These, es handele sich bei dem Abkommen um eine „Magna Charta“, sei „glänzend bestätigt“ worden, mag das in den Ohren Unkundiger doch etwas wie Prahlerei klingen.

Seit der Zeithistoriker jedoch im Jahr 1987 seinen ersten Band über die „Südtirolfrage 1945/46 und das Gruber-De Gasperi-Abkommen“ veröffentlicht hatte, schlug ihm viel Widerspruch und gar Polemik entgegen. So verliebt waren Kritiker in die Idee, damals habe eine reelle Chance auf die Rückkehr Südtirols zu Österreich bestanden. Das Land sei „frühzeitig in die Mühlen des Kalten Krieges“ geraten, urteilt jedoch Steininger nach gründlichem Aktenstudium in britischen, amerikanischen, italienischen und österreichischen Archiven. Anstatt auf die Rückgabe Südtirols zu beharren, hätte Wien gut daran getan, über Autonomiemodelle zu verhandeln.

Detailliert zeigt Steininger auf, wie gespalten die Europaabteilung des US-amerikanischen State Department war, bis die Österreich-Fraktion schließlich der Italien-Fraktion unterlag. Wie auch im Londoner Foreign Office setzte sich die Befürchtung durch, den strategischen Partner Italien durch eine solche Grenzveränderung zu schwächen: Einerseits kam ein wesentlicher Teil der Energieversorgung besonders für den industriell entwickelten Teil Norditaliens aus den Kraftwerken in Südtirol, und andererseits wollten Briten und Amerikaner nicht die Westorientierung Italiens weiter gefährden, wo die Kommunisten im westeuropäischen Vergleich am stärksten waren.

Auch Vorschläge zu sogenannten „kleineren Grenzveränderungen“, etwa die zeitweise diskutierte Rückgabe des Pustertals an Österreich, scheiterten im „Länderschacher“ (Viktoria Stadlmayer).

Rolf Steininger: Autonomie oder Selbstbestimmung? Die Südtirolfrage 1945 und 1946 und das Gruber-De-Gasperi-Abkommen. Studien Verlag, Innsbruck 2006, gebunden, 412 Seiten, 178 Seiten Dokumentenanhang, 49,90 Euro


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