© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/07 02. März 2007

Zitterpartie im Senat
Italien: Die nach neun Monaten zurückgetretene Regierung führte Romani Prodi – die neue wahrscheinlich auch
Paola Bernardi

Neun Monate lang hatte Italiens Ministerpräsident Romano Prodi zwischen seinen Regierungsparteien – von Kommunisten bis linken Christdemokraten – hin und her laviert. Immer wieder mußte er neue Zugeständnisse an seine so gegensätzlichen Koalitionspartner machen, immer wieder gegebene Versprechungen brechen – und dies nur, um seine riesige Mitte-Links-Regierung aus insgesamt 102 Mitgliedern (Ministern und Staatssekretären) bei der Stange zu halten. Es war die byzantinischste Regierung, die Italien je hatte. Bei jeder Abstimmung im Parlament verriet der parteilose Prodi nicht nur sich selber, sondern auch seine Wähler, um an der Macht zu bleiben.

Seit seinem hauchdünnen Sieg von nur 25.000 Wählerstimmen im Frühjahr 2006, der das Land zutiefst gespaltet und polarisiert hat, wurde jede Abstimmung im Parlament zur großen Kraftprobe für die Linken aufgepumpt. Denn Prodi hat zwar – dank der Wahlreform der Berlusconi-Regierung – eine komfortable Mehrheit in der Abgeordnetenkammer. Im ebenso wichtigen Senat ist seine Regierung jedoch auf Stimmen aus den Reihen der Senatoren auf Lebenszeit angewiesen. Elfmal seit Mai 2006 hat der am 21. Februar zurückgetretene Ministerpräsident die Abstimmung über wichtige Gesetze mit der Vertrauensfrage verbunden, um seine widerstrebenden Parteien zu disziplinieren.

Eine naheliegende „große“ Koalition des linken Ulivo-Bündnisses mit Silvio Berlusconis rechtsliberaler Forza Italia, die Italien wahrscheinlich mehr Stabilität und Ruhe geboten hätte, lehnte Prodi mit Händen und Füßen ab. Wußte er doch, daß das einzig verbindende Element seiner Regierung der Haß auf Silvio Berlusconi ist. Um ihn zu verhindern, wurde bislang jede Kröte geschluckt. Und Prodi machte sich so zum Spielball der radikalen Linken – vor allem der beiden kommunistischen Parteien PRC und PdCI (JF 5/07).

Mit unflätigen Beschimpfungen wurde der schon seit Monaten abtrünnige PdCI-Kommunist Fernando Rossi im Senat anläßlich der Abstimmung überschüttet, als klar wurde, daß er und der Altkommunist Franco Turigliatto (PRC) mit ihrer Stimmenthaltung zum Rücktritt der Regierung Prodis maßgeblich beitragen würden. Beide Parlamentarier waren nicht bereit, von ihrer Ablehnung der Afghanistan-Mission abzuweichen. Rossi (der aus der radikalen Turiner Gewerkschaftsbewegung stammt) wurde sogar auf der Heimfahrt von Rom von einem seiner Genossen im Zug mit Faustschlägen tätlich angegriffen. Turigliatto, der 1999 bei der Nato-Bombardierung Jugoslawiens demonstrativ nach Belgrad flog, soll aus der PRC ausgeschlossen werden.

Mit 158 zu 136 Nein-Stimmen und 24 Enthaltungen war die Regierung Prodi am Aschermittwoch nach neun Monaten im Senat untergegangen. Als dann die Sprechchöre der Opposition „Rücktritt, Rücktritt“ ertönten, erwachte auch Prodi endgültig aus seinen Träumen. Obwohl ihm formell niemand das Vertrauen entzogen hatte – denn die Abstimmung im Senat betraf lediglich die außenpolitischen Richtlinien seiner Regierung –, gab er am Abend seinen Rücktritt beim italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano bekannt.

Vieles muß an diesem Tag zusammengeflossen sein. Prodi wußte, daß der Senat immer die offene Flanke seiner Koalition war; denn dort regierte er seit seiner Wahl mit nur einer Stimme Mehrheit in seiner Neun-Parteien-Koalition. Allerdings konnte er dort bisher auf die Senatoren auf Lebenszeit rechnen: Sieben hochbetagte ehemalige Staats- und Ministerpräsidenten sowie Nobelpreisträger, die wegen ihrer Verdienste um das Land ernannt wurden. Zu ihnen zählt der Turiner Industrielle Sergio Pininfarina, der sich bei der Stimmabgabe enthielt, was in diesem Falle als Nein gewertet wird. Auch der „alte Fuchs“ und siebenmalige Ministerpräsident Giulio Andreotti enthielt sich, während der ehemalige Staatspräsident Francesco Cossiga mit Nein stimmte.

Mag sein, daß es auch die ewige Arroganz des italienischen Außenministers und Vizepremiers Massimo D’Alema war, die an diesem Tag bei Prodi das Faß zum Überlaufen brachte. Hatte doch der Postkommunist bereits vorher getönt, daß im Falle einer Niederlage, die Regierung nach Hause gehen würde – was eine glatte Kompetenzüberschreitung war.

Natürlich wird jetzt von seiten der Linken nach diesem Rücktritt sofort ein Komplott von Kirche, Großindustrie und USA gewittert. Prodi, der derzeit noch die laufenden Amtsgeschäfte weiterführt, verbirgt gern hinter seinem umständlichen Pantoffel-Charme, daß er ein überaus machtgieriger und knallharter Politiker ist. Deshalb zielt er jetzt anstelle eines Kompromisses auch auf eine erneute Kraftprobe. Als seinen Verbündeten der Schock ob dieses Machtverlustes noch in den Gliedern saß, verlangte er von ihnen in einer Nachtsitzung eine „eisenharte Mehrheit“ für sein „programmatisches Dokument“. In dem Zwölf-Punkte-Katalog verpflichten sich alle Regierungspartner unter anderem zur Rückendeckung Prodis bei der Erfüllung der internationalen Verpflichtungen Italiens, die durch die Mitgliedschaften in der EU, der Nato und der Uno entstehen.

Prodi erhielt daraufhin von Napolitano den Auftrag, wieder die Regierung zu übernehmen. Doch eine neue Prodi-Regierung steht vor den gleichen Schwierigkeiten wie bisher. Ärger droht demnächst beim Thema der staatlichen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften – einer Herzensangelegenheit der Linken. Doch dieses Ziel taucht in dem Zwölf-Punkte-Programm nicht mehr explizit auf. Das soll unter anderem dem christdemokratischen Überläufer Marco Follini (2005 vier Monate Vizepremier von Berlusconi) am Mittwoch das Ja im Senat zum neuen Prodi-Kabinett ermöglichen.

Auch die katholische Senatorin Paola Binetti, eine hochangesehene Medizinerin, die sich auf Kinder-Psychiatrie spezialisiert hat, bleibt nun an Prodis Seite. Lange Jahre war sie Präsidentin des Komitees „Wissenschaft und Leben“. Sie hat sich besonders für die Familie und junge Paare engagiert. Ihr Traum wäre die „Dreidimensionale Familie“ aus Eltern, Kinder und Großeltern. Die Opus-Dei-Aktivistin ist strikt dagegen, daß gleichgeschlechtliche Partnerschaften dieselben rechtliche Garantien wie die Familien erhalten.

Auch der bekennende Katholik Andreotti hatte immer wieder betont, dies wolle er nicht akzeptieren: „Schon Dante hat sie in die Hölle verbannt.“ Da zumindest auch einer der beiden „verstoßenen“ Kommunisten – aus Angst vor einer Rückkehr Berlusconis bei eventuellen Neuwahlen – für Prodi stimmen will, stehen dessen Chancen vorerst nicht schlecht.

Foto: Prodi-Niederlage im Senat: Das Links-Lager bangt um die Macht


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