© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/07 02. März 2007

Schlagfertiger Nachwuchs
Berlin: Jugendgewalt nimmt zu / Bis zu 85 Prozent der Tatverdächtigen sind Ausländer / Zahl der Haftbefehle gesunken / Justiz in der Kritik
Peter Freitag

Eine Mehrheit der Deutschen ist der Überzeugung, daß die Zunahme der ausländischen Bevölkerung die Ausbreitung von Kriminalität begünstigt habe, so das Ergebnis einer 2005 veröffentlichten Umfrage des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung. Diese Einschätzung der öffentlichen – im Gegensatz zu einem Großteil der veröffentlichten – Meinung wird durch statistische Erhebungen immer wieder bestätigt. Und manchmal werden die negativen Bewertungen gegenüber einem Teil der nach Deutschland Eingewanderten durch die Realität sogar noch übertroffen.

So veröffentlichte in der vergangenen Woche ausgerechnet der eher linksliberale Tagesspiegel (JF 6/07) das Ergebnis eines internen Berichts des Berliner Landeskriminalamts über die Entwicklung bei Jugendgewaltdelikten. Was die Beamten zutage förderten, stellt mit Fakten untermauert die Realität der „multikulturellen Gesellschaft“ in der deutschen Hauptstadt dar.

80 bis 85 Prozent aller Tatverdächtigen beim Delikt Jugendgewalt sind „nichtdeutscher Herkunft“. Diese Bezeichnung präzisiert, wo die Unterteilung deutsch/ausländisch bei der Beschreibung der Wirklichkeit eher verschleiernd wirkt, wie zum Beispiel im Fall der für Steglitz und Tempelhof zuständigen Polizeidirektion: Von 271 Tatverdächtigen haben 137 einen deutschen Paß; von diesen stammen aber lediglich 48 aus Deutschland, die Mehrzahl setzt sich aus eingebürgerten Türken, Libanesen und anderen Einwanderergruppen zusammen. In der für den Bezirk Mitte zuständigen Polizeidirektion liegt die Quote der Verdächtigen „nichtdeutscher Herkunft“ bei 85 Prozent.

In den Fällen sogenannter jugendlicher „Intensivtäter“, die bereits über ein Vorstrafenregister von mindestens zehn Fällen verfügen, liegt der Anteil von Einwandererkindern bei nahezu 100 Prozent, vermeldet der Tagesspiegel. 500 solcher Intensivtäter seien derzeit in Berlin polizeilich erfaßt.

Insgesamt ist laut LKA-Bericht die Jugendgewalt gegenüber dem Jahr 2005 um fünf Prozent gestiegen, allein 5.662 Fälle sogenannter Jugendgruppengewalt mit zwei und mehr jugendlichen Tätern erfaßten die Beamten. An den Schulen sei die Anzahl gewalttätiger Auseinandersetzungen sogar um 40 Prozent gestiegen. Der spektakuläre „Fall Rütlischule“, der im vergangenen Jahr für Aufsehen gesorgt hatte, dürfte vor allem bei Schulleitern und Lehrkräften zu einem verstärkten „Anzeigeverhalten“ geführt haben. Doch nicht nur die Zahl der Delikte, auch die Brutalität ist dabei angestiegen. Eine Steigerung von über dreißig Prozent verzeichnet die Statistik in punkto Einsatz von Waffen, bei „Hiebwaffen“ (Knüppel, Totschläger) sogar um 76 Prozent. Was allerdings angesichts solcher Zahlen noch bedenklicher stimmt, ist der Umgang der Berliner Justizbehörden mit diesen Taten und Tätern. Denn obwohl im von der Statistik erfaßten Zeitraum des vergangenen Jahres die Anzahl der festgenommenen jugendlichen Straftäter um über zwölf Prozent angestiegen ist und – erkennbar am vermehrten Waffeneinsatz – die Täter auch immer brutaler vorgingen, sank die Zahl der von den Untersuchungsrichtern erlassenen Haftbefehle im selben Zeitraum um neun Prozent. Die Zahl der Fälle, in denen „Haftverschonung“ gewährt wurde, die Täter also gegen Meldeauflagen nach Hause gehen konnten, stieg dagegen um elf Prozent an. Der Bund deutscher Kriminalbeamter kritisiert vor allem die Zunahme der Fälle, in denen Untersuchungsrichter Tatverdächtige gänzlich ohne Haftbefehl laufen lassen.

Richter verweisen auf rechtliche Grenzen

Jugendrichter wiederum verweisen auf die ihnen gezogenen rechtlichen Grenzen, die einen Haftbefehl wegen Flucht- oder Wiederholungsgefahr rechtfertigten. Der Tagesspiegel zitiert jedoch einen Richter, der seine Kollegen auffordert, den jugendlichen Tätern „eindeutige Grenzen“ zu zeigen. Die Unterbringung entsprechender Täter in geschlossenen Heimen – eine Forderung der oppositionellen CDU – ist nach Auffassung des nicht namentlich genannten Juristen allerdings nur dann erzieherisch sinnvoll, wenn die Aufenthaltsdauer mindestens zwei Jahre betrage.

Mit den „Karrieren“ von Intensivstraftätern befaßte sich auch eine Untersuchung der Berliner Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege, für die 250 entsprechende Fälle ausgewertet wurden. Die dabei festgestellten 70 Prozent Serientäter mit „Migrationshintergrund“ weisen eine weitestgehende Übereinstimmung bei familiären Mißständen auf: aufgewachsen ohne erzieherische Kontrolle, häufig vernachlässigt und zu zwei Dritteln in Familien ohne eigenes existenzsicherndes Einkommen. In 90 Prozent der Fälle sind die Täter auf Haupt- oder Sonderschulen gegangen, nur bei einem Fünftel liegt ein Abschluß vor oder wird erwartet. „Aggressives Sozialverhalten“ und häufiges Schulschwänzen sind weitere Übereinstimmungen. Und wie die Justiz zeigte sich auch die Schule zögerlich mit Sanktionen, die nur bei 15 Prozent der Fälle vollstreckt wurden.

Profitiert haben von solcher Laxheit Männer wie Nidal R. oder Osman A. Der 24jährige Libanese Nidal weist eine über 80 Taten umfassende Akte bei den Behörden auf. Mit zehn Jahren erstmalig polizeilich aufgefallen, mit zwölf wegen aggressiven Verhaltens in der Schule gemeldet und mit 16 zum ersten Mal verurteilt; im vergangenen Jahr stand er zum vorerst letzten Mal vor dem Richter. Die geplante Abschiebung scheiterte immer wieder an der Weigerung der libanesischen Behörden, Nidal aufzunehmen. Im Dezember 2006 erfolgte seine Haftentlassung, vorletzte Woche entzog er sich durch Flucht aus einem Polizeirevier der erneuten Festnahme.

Osman A., 19 Jahre alt und Intensivtäter mit serbischem Paß, verfügt über ein stattliches Register von ihm zur Last gelegten Taten: Diebstahl, Betrug, Raub und gefährliche Körperverletzung. Der 1993 als Bürgerkriegsflüchtling nach Deutschland gekommene, jetzt in Neukölln festgenommene Straftäter, beschäftigte bereits einen eigenen Sachbearbeiter bei der Berliner Kripo.


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