© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/07 02. März 2007

Maciej Giertych
Schrecklich nette Familie
von Christian Rudolf

Der polnische Europaparlamentarier Maciej Marian Giertych von der nationalkatholischen Liga polnischer Familien (LPR) macht erneut Schlagzeilen. Mitte Februar ließ der Vater des polnischen Erziehungsministers und Vizepremiers Roman Giertych (LPR) an alle Abgeordneten des Straßburger Parlaments eine Broschüre verteilen, in der er die Zivilisationsmorphologie des populären, aber umstrittenen Geschichtsphilosophen Feliks Koneczny (1862–1949) verarbeitet (JF 9/07). Das 32seitige Heft wurde vom Europaparlament wie von der EU-Kommission als „antisemitisch“ und „rassistisch“ verdammt und scharf zurückgewiesen, der israelische Botschafter sprach sogar im polnischen Außenministerium vor.

Giertychs jüngster Streich reiht sich ein in eine Kette von Provokationen. Häufiger noch als mit latenter Abneigung gegen das Judentum tritt er mit seiner krassen Deutschenfeindlichkeit hervor. Erst im Oktober hatte er in seine Bürofenster suggestiv-antideutsche Plakate geklebt (JF 42/06). Anders als jetzt blieb die Reaktion der Parlamentskollegen damals eher lau. Als die italienische Lega Nord im März 2006 – wegen unverholener Sympathie für die Mohammed-Karikaturen – aus der EU-Kritiker-Fraktion Unabhängigkeit und Demokratie (ID) ausgeschlossen wurde, verließ Giertych die ID aus Solidarität ebenfalls.

Der Familienname Giertych steht für ein ganzes Geschlecht selbstbewußter nationalistischer Politiker, die ihr Leben der „polnischen Sache“ gewidmet haben und deren Germanophobie sprichwörtlich ist. Sowohl Giertychs Großvater Franciszek als auch sein Vater Jędrzej engagierten sich in der Zwischenkriegszeit für die sehr erfolgreiche Nationale Partei (SN), die für ein katholisches und völkisches Polen eintrat, dessen Westgrenze in etwa dort verlaufen sollte, wo sie heute tatsächlich verläuft. Nach dem Krieg emigrierte Jędrzej, Antikommunist bis auf die Knochen, mit der Familie nach London, wo er publizistisch für ein unabhängiges Polen stritt.

Der 1936 in Warschau geborene Maciej studierte in Oxford und Toronto Gehölzkunde. In den Sechzigern kehrte er nach Polen zurück und schmuggelte unveröffentlichte Schriften von Feliks Koneczny nach London, wo sie sein Vater herausgab.

1989 konnte Maciej Giertych die SN reaktivieren, Mitglieder aus der Vorkriegszeit wie Leon Mirecki sicherten die Kontinuität. Gleichzeitig holte Sohn Roman, damals Student der Geschichte, die radikalnationalistische Allpolnische Jugend (MW) aus der Versenkung. 2001 vereinigten sich die traditionellen Nationalkatholiken zur LPR, Maciej Giertych zog in den Sejm ein. 2004 kam er ins EU-Parlament, wo er seitdem für Furore sorgt. Unmut erregen sowohl seine vehementen Angriffe gegen Homosexualität oder seine öffentlichen Zweifel an der Evolutionslehre wie eben seine Haltung zu Deutschen oder Juden. Während man in Straßburg letztlich aber bereit ist, ihm alles andere nachzusehen, muß er nun achtgeben, daß ihm sein fragwürdiges öffentliches „Philosophieren“ über Juden nicht zum politischen Verhängnis wird.


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