© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/07 23. Februar 2007

"Anerkennung als Völkermord"
Italien: In Triest soll eine Europäische Union der Flüchtlinge und Vertriebenen entstehen / Verspätete Internationalisierung
Martin Schmidt

Im Rückblick war es einer der größten strategischen Fehler ost- und auslandsdeutscher Vertriebenen- und Flüchtlingsverbände, daß sie die Vertreibungsproblematik und den Wunsch nach Erfüllung des Heimatrechts nicht frühzeitig internationalisiert haben. Zwar ist es vor dem Hintergrund der anhaltenden Hoffnung auf Rückkehr, der gewaltigen wirtschaftlichen Probleme des Neuanfangs sowie der politischen Großwetterlage im Kalten Krieg verständlich, warum damals keine nennenswerte Kontaktaufnahme zu italienischen Vertriebenen aus Istrien, Finnen aus Karelien, Griechen aus Nordzypern, der armenischen Diaspora oder gar zu den einflußreichen japanischen Heimatvertriebenen von den Kurilen und Sachalin stattfand. Daß ein solcher Gedankenaustausch auch später ausblieb, ist nicht zuletzt auf den mangelnden Weitblick der Führung des Bundes der Vertriebenen (BdV) zurückzuführen.

Daß dieses Versäumnis nun auf dem vom 29. bis 31. März im italienischen Triest stattfindenden ersten Internationalen Kongreß der Vertriebenen und Flüchtlinge in Europa nachgeholt werden soll, ist immerhin ein Anfang. Der BdV wird wahrscheinlich nicht vertreten sein. Welche seiner deutschen Landsmannschaften an dem Treffen in Triest offiziell teilnehmen, ist bislang ebenfalls noch nicht endgültig entschieden.

Federführend ist die einladende L'Unione degli Istriani - Libera Provincia dell'Istria in Esilio (UDI), die Organisation der aus Istrien (heute zu Slowenien und Kroatien gehörend) vertriebenen Italiener. Eine wichtige Rolle kommt auch dem Verband des volksdeutschen Landsmannschaften Österreichs (VLÖ) zu sowie zwei finnischen und zwei griechisch-zypriotisch Verbänden zu. Darüber hinaus wäre es wünschenswert, wenn mittelfristig auch Vereinigungen aus dem einstigen Ostpolen, ungarische Umsiedlungsopfer oder Repräsentanten der Rumänen aus der Bukowina dazukämen.

Die nun im Entstehen begriffene überparteiliche Europäische Union der Flüchtlinge und Vertriebenen könnte viel dazu beitragen, das 20. Jahrhundert als das der Vertreibungen vorurteilslos geschichtlich aufzuarbeiten und das entsprechende Wissen im Bewußtsein möglichst vieler Menschen zu verankern. Die Kongreßteilnehmer haben drei Hauptforderungen bekanntgegeben:

- "Die Anerkennung des Verbrechens des Völkermordes an den vertriebenen oder ins Exil gezwungenen Volksgruppen und Völkern durch die Europäische Union, ihre Mitgliedsstaaten und die Vereinten Nationen";

- "die Bekanntmachung der Tragödien der Flucht und Vertreibungen in ganz Europa über die Einrichtung eines jährlich feierlich zu begehenden Gedenktages für die 18 Millionen Flüchtlinge und Vertriebenen auf dem europäischen Kontinent im 20. Jahrhundert durch eine EU-Richtlinie, die von den Regierungen aller EU-Mitgliedsstaaten zu ratifizieren ist";

- "in Verbindung mit diesem Gedenktag EU-Vorschriften zur Verbreitung des Wissens an den Schulen über die von den KP-Regimen im ehemaligen Ostblock und in der Türkei verursachten Vertreibungen". Ebenso soll es darum gehen, konkrete rechtliche Schritte und Wiedergutmachungen durchzusetzen. Man strebe "die Anerkennung des Rückkehrrechts der Vertriebenen und der nachkommenden Generationen in ihre Heimat" an - verbunden mit der "Rückgabe der widerrechtlich beschlagnahmten und verstaatlichten Flächen, Grundstücke und Immobilien und, falls dies nicht möglich sein sollte (...) ein angemessener Schadensersatz, der den Erwerb einer/es anderen gleichwertigen Fläche, Grundstücks oder Immobilie sicherstellen kann".

Der Aufruf der UDI schließt mit den Worten: "Es ist Pflicht jedes seiner Würde bewußten Menschen, die verletzte eigene Würde zu heilen. Selbstbewußte, mit Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen ausgestattete Menschen der Vertreiberstaaten werden deshalb dafür kämpfen, daß das durch ihre Staaten geschaffene Unrecht der Vertreibung beseitigt und wiedergutgemacht wird. Dies können sie natürlich nur, wenn die Vertriebenen als Empfänger der Wiedergutmachung auch selbstbewußt zur Verfügung stehen und sich nicht kleinlich vor ihrer Verantwortung für ein Europa drücken, wo die natürlichen Werte hochentwickelter Nationen gelten."

Foto: Treffen Vertriebener aus Istrien: "Rückkehrrecht in die Heimat"

Zusätzliche Informationen finden sich im Internet unter www.unioneistriani.it 


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen