© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/07 23. Februar 2007

"Preußen Gerechtigkeit widerfahren lassen"
Geschichtspolitik: Zahlreiche Vereine und Organisationen halten die Erinnerung an den 1947 von den Alliierten aufgelösten Staat wach
Peter Freitag

Im deutschen Vereinswesen hat Preußen sein staatliches Ende überlebt; ob in Fußballclubs oder studentischen Korporationen: "Borussia" ist noch immer ein Herkunftsnachweis und ein selbstbewußt und stolz verwendetes Markenzeichen.

Wem das zu wenig ist, bieten sich andere Organisationen oder Privatinitiativen an, die sich jeweils unter verschiedenen Schwerpunktsetzungen positiv auf Preußen beziehen. Den sicherlich öffentlichkeitswirksamsten Auftritt hat in diesem Zusammenhang die Vereinigung zur Förderung und Pflege der Tradition der Potsdamer Riesengarde "Lange Kerls" e.V., deren Mitglieder in detailgetreu nachempfundenen Uniformen repräsentative Aufgaben vor historischen Kulissen in und um die Brandenburgisches Landeshauptstadt wahrnehmen. Historisches Vorbild ist dabei die vom Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. 1713 ins Leben gerufene Gardetruppe aus besonders Hochgewachsenen. Einst als ausgefallene Marotte des ansonsten sehr sparsamen Königs belächelt, sind die "Langen Kerls" heute ein Publikumsmagnet. Bereits 1990 wurde der Verein gegründet, seit 2004 existiert sogar eine angeschlossene GmbH, die sich um die Vermarktung der Auftritte kümmert und die "Marketenderei" betreibt. Die Truppe, die vom "Offizier" über "Feldwebel" bis zum einfachen "Mann" sämtliche Rangstufen abbildet und dazu auch über Trommler und Flötisten verfügt, besteht vollständig aus ehrenamtlich Tätigen. Die Laiendarsteller verstehen sich selbst als "lebendiges Museum", stehen Besuchern Potsdams mit ihrem Wissen zur Verfügung und wollen "Heimatverbundenheit" ausdrücken.

Ebenfalls der Tradition der preußischen Garde verpflichtet ist der Semper-Talis-Bund e.V. (STB), benannt nach dem Garde-Wahlspruch "Semper talis" (Immer so vorzüglich). Ursprünglich war der 1921 gegründete Bund eine Traditionsgemeinschaft von ehemaligen Angehörigen des königlich-preußischen Ersten Garde-Regiments zu Fuß; dessen Tradition wurde nach dem Ersten Weltkrieg im Infanterieregiment 9 fortgeführt, seit 1961 trägt das Wachbataillon des Verteidigungsministeriums die Tradition dieser Truppenteile. Dessen Kommandeur ist Vorsitzender des STB, der mit dem sogenannten "Legatenfonds" über eine Stiftung verfügt, die aktiven oder ehemaligen Angehörigen des Wachbataillons finanziell beisteht.

Auch die Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel e.V. (TGP) ging aus einer Initiative von Bundeswehrangehörigen hervor. 1984 gründeten Soldaten eines Fallschirmjägerbataillons in Iserlohn die TGP mit dem Ziel, das im April 1945 zerstörte Glockenspiel der Potsdamer Garnisonkirche wiederherzustellen sowie "geistig und finanziell" den Wiederaufbau der Kirche und anderer historischer Bauten zu unterstützen.

Bildungsbürgertum als Zielgruppe 

Drei Jahre nach Gründung konnte das erste Ziel erreicht und in der Obhut der Bundeswehr das nachgebildete Glockenspiel ("Üb' immer Treu' und Redlichkeit!") eingeweiht werden; es wurde 1991 nach Potsdam verbracht und an historischer Stelle errichtet. Mahnung zu christlicher Gesinnung im Umgang miteinander und preußischen Tugenden im Dienst am Gemeinwesen - das sind die Inhalte, die über das Glockenspiel an die Menschen gerichtet werden sollen.

Fast sieben Millionen Euro an Spenden hatte die TGP zugunsten des Wiederaufbaus der Garnisonkirche gesammelt, als sie sich Ende 2005 auflöste. Begründet wurde dieser Schritt, da die Verantwortlichen aus Kirche und Politik einen originalgetreuen Wiederaufbau verworfen und statt dessen eine Teilrekonstruktion bevorzugt hatten, die als "internationales Versöhnugszentrum" dienen soll. Damit waren die Voraussetzungen für das Engagement der TGP nach Ansicht des Vereinsvorstands nicht mehr gegeben, der ein preußisch-schlichtes Gotteshaus ohne politische Beimischungen im Sinn hatte.

Dem "geistigen" Erbe Preußens hat sich das 1975 ins Leben gerufene Preußeninstitut verschrieben. Es sieht seine Aufgabe darin, "Preußen und seiner großen Geschichte Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und der völkerrechtswidrigen Auslöschung Preußens auf Beschluß des Alliierten Kontrollrats vom Februar 1947 ein Ende zu setzen", so heißt es in den Statuten. Der Verein ist aus dem schon 1969 auf der Burg Hohenzollern gegründeten "Zollernkreis" hervorgegangen und möchte diejenigen "zusammenführen, die sich zur preußischen und deutschen Tradition bekennen und sich der Zukunft unseres Vaterlandes verpflichtet fühlen". Jährlich führt das Institut an repräsentativem Ort eine Versammlung durch, auf der meist Wissenschaftler Vorträge über Preußen oder verwandte Themen halten. Politisch ist der Verein insofern, als er die Wiederherstellung Preußens in den Gebieten fordert, in denen dies gewünscht werde.

Als "Initialzündung für eine geistige Erneuerung Deutschlands" und Nachfolgerin der "Reformpartei von 1807" versteht sich die Preußische Gesellschaft Berlin-Brandenburg e.V., die seit zehn Jahren besteht. Der Verein wendet sich vor allem an das politisch-kulturell interessierte Bildungsbürgertum, seinem Präsidium gehören Unternehmer und Rechtsanwälte an, der "Beirat" ist mit Ferdinand Fürst von Bismarck prominent besetzt. "Verantwortung, Pflichtbewußtsein und Toleranz sollen ihren hohen Stellenwert als moralische Kategorien zurückerhalten, Sparsamkeit und Genügsamkeit als erstrebenswerte Tugenden gelten", so heißt es in den Statuten der Gesellschaft, die außerdem auf Vortragsveranstaltungen und geselligen Abenden das Wissen um preußische Geschichte und friderizianisches Gedankengut pflegen und erweitern möchte.

Politischer nimmt sich der Verein Kaisertreue Jugend aus, der erst vor kurzem - am 27. Januar 2007 - gegründet wurde, passenderweise am Geburtstag Kaiser Wilhelms II. Die Mitglieder werben für die Einführung einer "Erbmonarchie auf demokratisch-rechtsstaatlicher Grundlage".

Foto: Mitglieder der Potsdamer "Langen Kerls" haben sich (historisch nicht ganz korrekt) um Friedrich den Großen versammelt: "Lebendiges Museum"

Weitere Informationen über die hier vorgestellten Vereine und Organisationen gibt es im Internet: www.lange-kerls.de, www.semper-talis-bund.de, www.garnisonkirche.de, www.preusseninstitut.de, www.preussen.org, www.kaisertreue-jugend.org


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