© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/07 23. Februar 2007

Der Vater
Unter Druck
von Ellen Kositza

Die Wertschätzung des Vaters, über dessen Rechte - besser Rechtebeschneidung - das Bundesverfassungsgericht eben wieder geurteilt hat, unterliegt mannigfaltigen Kriterien.

Weithin geschätzt wird er als Ernährer und Erzieher, meist als Erzeuger, gelegentlich noch als Familienoberhaupt. Konjunktur erleben heute seine Zerrbilder: Samenspender, Wickelvolontär, Zahl- und Wochenendvater. Die "soziale Vaterschaft" dürfte sowohl die traditionelle wie moderne Bedeutungssphäre decken: "Mama's baby, Papa's maybe", weist ein geflügeltes Wort auf den seit Menschheitsgedenken inhärenten Zweifel an der biologischen Vaterschaft hin. Solchem Zweifel pragmatisch zu begegnen - ein simpler Tests macht's möglich -, gilt heute höchstrichterlich als Unredlichkeit.

Vaterschaft ist Frauenrecht, könnte man überspitzt dieses Paradoxon formulieren. Wo Frausein und Mutterschaft sich entflechten, ist Väterlichkeit als Manneseigenschaft seit je eine Option unter anderen; Krieger und Priester durften ihrer reproduktiven Potenzen entsagen. Nicht erst die voluntaristische Debatte um "Frauenrollen" machte Vaterschaft zu einem Symptom der Krise. Die Sinnstiftungen, die das Altertum dem pater familias als Vorsteher des Hauses zuschrieb - Autorität, Zucht, aber auch Milde und Sorge - und die sich Jahrhunderte erhielten, sind lange perdu. Max Horkheimer und Alexander Mitscherlich konstatierten den Verlust der Väterlichkeit als Signum der industriellen Revolution und erst recht der Nachkriegsgesellschaft: Weder der Lohnarbeiter noch der Angestellte als bloßer Verwalter - im Gegensatz zum Bauern oder Kleinunternehmer alter Prägung -, noch weniger der "Weltkriegsmörder" tauge als Identifikationsfigur für die heranwachsenden Söhne.

Um 1968 wurde der mythische Topos des Vatermordes zum kollektiven Rufmord. Im Gefolge dieser Umwertung brauchte mann kein Linker zu sein, um als Einsteiger in die generative Kette - sprich mit faktischer Vaterwerdung - eine Leerstelle anstatt eines Leitbildes vorzufinden. Zur Wahl blieben: der erzieherische Vollstrecker mit Dienstzeit von 18 bis 20 Uhr, der familiär völlig funktionslos gewordene Alimentär oder der quasi geschlechtslose Co-Schwangere und Tragetuchfetischist, der von der Gattin (freilich: Partnerin!) häufig bald ausgetauscht wird - gegen einen Mann, versteht sich. Als Nullnummer wollen Soziologen den modernen Vater auf der Suche nach Auffüllung des attributiven Vakuums nicht verstanden wissen. Anzustrebende Eigenschaften seien Toleranz, Solidarität, Kooperationsfähigkeit und Zärtlichkeit: der Vater als Freund und Partner. Das ähnelt der zugewiesenen Rolle als Lebensgefährte. Es entspricht, vertikal als Vater-Kind-Verhältnis gewendet, dem horizontalen Zielkanon der Gender-Adepten: Wo Männlichkeit soziokulturell zu definieren ist, gilt das für Väterlichkeit erst recht.

Solange die urfeministische Utopie der Jungferngeburt außer Reichweite ist, erfüllt der Vater auch Leugnerinnen herkömmlicher Eigenschaften durchaus manchen Zweck: als Geldgeber allemal.


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