© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/07 16. Februar 2007

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Geschäftssinn
Karl Heinzen

Das Pilotprojekt der sogenannten "Heroinambulanzen", in denen Schwerstabhängige von der öffentlichen Hand mit dem benötigten Rauschgift versorgt werden, soll im Sommer auslaufen. Für seine Verlängerung setzt sich eine vom Hamburger Bürgermeister Ole von Beust lancierte Bundesrats­initiative ein, der sich nun auch der hessische Ministerpräsident Roland Koch angeschlossen hat. Im Gegensatz zu jenen Parteifreunden, die hier noch immer von Ressentiments befangen sind, scheinen beide CDU-Landespolitiker demnach davon überzeugt zu sein, daß ein Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik notwendig und möglich ist.

Heroinambulanzen sind auf diesem Weg zwar nur ein erster kleiner Schritt. Sie deuten aber bereits an, daß der Staat nicht mehr länger nur darauf aus sein muß, den Drogenmarkt mit den Instrumenten der Strafverfolgung blindlings auszutrocknen. Er kann auch versuchen, ihn durch das Setzen geeigneter Rahmenbedingungen und zugleich als aktiver Teilnehmer am Marktgeschehen konstruktiv zu gestalten. Dabei hat ein freiheitliches Gemeinwesen grundsätzlich hinzunehmen, daß sich zahlreiche Bürger nun einmal für den Drogenkonsum entschieden haben. Seine Aufgabe ist es nicht, die Abhängigen zu belehren oder zu bemuttern, sondern ihnen trotz ihrer Sucht ein Leben in Würde zu gewährleisten. Diesem Ziel ist gedient, wenn das bisher hinter den Drogen lauernde Armutsgespenst gebannt und ein Abgleiten in die Beschaffungskriminalität verhindert wird. Eine kostenlose Abgabe aller Suchtmittel an alle Bedürftigen durch den Staat ist dazu das geeignete Instrument, das zugleich sämtlichen illegalen Handelsstrukturen den Boden entzieht.

Im nächsten Schritt könnte die öffentliche Hand versuchen, mit den Rohstoffproduzenten im Sinne einer Fair-Trade-Lösung unmittelbar ins Geschäft zu kommen. In manchen Ursprungsländern dürfte dies geradezu einen landwirtschaftlichen Boom auslösen, da jene Ressourcen, die bislang für Heimlichtuerei aufgewandt wurden, nun plötzlich zur Steigerung der Produktion zur Verfügung stünden.

Einen Mangel an qualifiziertem Personal, das den gesamten Weg der Drogen von der Herstellung bis zum Konsum steuern könnte, hätte der Staat nicht zu befürchten. Er könnte ja auf die beschäftigungslos gewordenen Mitarbeiter der durch ihn in den Ruin getriebenen Drogenringe zurückgreifen. Diese wären dadurch den Klauen der organisierten Kriminalität entwunden, und die durch sie geleistete Wertschöpfung fände endlich als Wachstumsschub Eingang in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen