© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/07 16. Februar 2007

Zar Putin gibt den Takt vor
Sicherheitskonferenz: Die neuen Verwerfungen zwischen Rußland und den Vereinigten Staaten könnten Deutschland in Bedrängnis bringen
Paul Rosen

Der "Opernball der Militärs", wie die Linkspartei-Politikerin Petra Pau die Münchener Sicherheitskonferenz zu nennen pflegt, geriet aus dem Takt. Mißtöne schlichen sich in die dreitägige Veranstaltung ein, auf der in den vergangenen Jahren von wenigen Ausnahmen abgesehen ein harmonisches Klima geherrscht hatte. Für Unruhe sorgte der russische Präsident Wladimir Putin, der erstmals auf der Konferenz sprach und die Erinnerung an den früheren sowjetischen Generalsekretär Leonid Breschnjew aufleben ließ. Oder an Nikita Chruschtschow, der seinerzeit auf einer Konferenz in Genf mit einem Schuh auf den Tisch geschlagen hatte. Schon ist von einem neuen Kalten Krieg die Rede.

Kritik am geplanten Raketenabwehrsystem

So weit dürfte Putin nicht gehen wollen. Aber der Präsident hat die Münchener Konferenz genutzt, um Rußland wieder als Weltmacht anzumelden. Er griff die "monopolare Weltherrschaft" der USA scharf an. Diese habe keine ethischen Grundlagen, und es gebe heute mehr Konflikte als je zuvor. "Es kommen mehr Menschen zu Tode als früher", sagte Putin.

Man wird eines Tages zu der Einschätzung kommen, daß die Münchener Sicherheitskonferenz von 2007 ein neuer Wendepunkt der Weltpolitik gewesen ist. Nach 1990 und durch die Auflösung der Sowjetunion war der russische Einfluß stetig gesunken. Das Land war hoch verschuldet und auf den Treffen der Mächtigen dieser Welt Bittsteller statt Gestalter. Das ist seit Putin vorbei. Die Schulden sind bezahlt, Rußland ist wirtschaftlich eine aufsteigende Macht, und die vollen Kassen führen dazu, daß nicht nur die zivile, sondern auch die militärische Infrastruktur modernisiert werden kann. Russen kaufen westliche Konzerne auf, Alt-Kanzler Gerhard Schröder ist ihnen bereits zu Diensten. Andere werden folgen. Westeuropa befindet sich längst in einer starken Abhängigkeit von russischen Energielieferungen.

Moskau ärgert sich besonders darüber, daß die Vereinigten Staaten und die Nato ihren Einflußbereich weit auf das Gebiet der früheren Sowjetunion und des Ostblocks ausgedehnt haben. Die baltischen Staaten, Tschechien und Polen gehören zur Nato, Rumänien und Bulgarien wurden kürzlich in die Europäische Union aufgenommen. Putin wirft dem Westen vor, frühere Zusagen gebrochen zu haben. So habe der ehemalige Nato-Generalsekretär Manfred Wörner versichert, östlich der deutschen Grenzen würden keine westlichen Truppen stationiert werden.

Diese Zusage sei nicht eingehalten worden, beklagte sich Putin. Besonders stört sich der russische Präsident an dem von Amerika geplanten Aufbau eines Raketenabwehrsystems in Europa. Teile der Anlage sollen in Polen und Tschechien installiert werden. Militärs und Strategen auf der Münchener Sicherheitskonferenz konnten bei den Flurgesprächen auch nicht erklären, welchen Sinn dieser Raketenschutzschirm haben soll.

Es sei denn, man kommt zum Ergebnis, daß damit angreifende russische Raketen abgewehrt werden sollen. Putin stellte nüchtern fest, keiner der immer wieder genannten Problemstaaten wie Iran habe Raketen mit Reichweiten von 5.000 bis 8.000 Kilometern. Aber "wir haben Waffen, die dieses System überwinden können", drohte Putin offen. Die 250 Teilnehmer der Konferenz erschraken. Hier schimmerte tatsächlich wieder der Kalte Krieg mit Option auf eine heiße Auseinandersetzung durch.

Die offizielle Reaktion der amerikanischen Teilnehmer in München war zurückhaltend. "Ein Kalter Krieg war genug", sagte der neue amerikanische Verteidigungsminister Robert Gates. Sein deutscher Kollege Franz Josef Jung empfahl ebenso wie SPD-Chef Kurt Beck einen intensiveren Dialog mit den Russen. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm bracht die offizielle Reaktion der Bundesregierung auf die Formel, Putin habe seinen Auftritt "in der ihm eigenen Weise zur Darlegung russischer Auffassungen zur internationalen Politik genutzt".

Etwas näher an der Realität war der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD). Er sagte, die Rede habe beinahe so geklungen, als betrachte Putin das Raketenprojekt "als einen Akt eines feindlichen Bündnisses". Und auch der CDU/CSU-Außenpolitiker Eckart von Klaeden sah in der Rede einen "unverblümten Großmachtanspruch".

So ist es. Rußland ist wieder zurück, und es sieht in den bei den Europäern so beliebten Institutionen wie EU und Nato keine Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Der neue Zar Putin, der auch nach seinem von der Verfassung erzwungenen Rückzug vom Amt des russischen Präsidenten weiter die wichtigste Rolle in der russischen Politik spielen wird, pocht auf eine eigenständige Rolle seines Landes als "Global Player". Einziger Ort internationaler Zusammenarbeit sollen nach seinen Vorstellungen die Vereinten Nationen sein, in deren Sicherheitsrat er ein Vetorecht hat.

Die deutsche Politik, derzeit in besonders großer Verantwortung wegen der in Berlin liegenden EU-Ratspräsidentschaft, zeigt sich überfordert. Den Russen ist man wegen der staatlichen Einheit zum Dank verpflichtet. Die Abhängigkeit von russischen Rohstoffen und von russischer Energie ist zu groß geworden. Andererseits will man nicht auf Distanz zu Amerika gehen. Es würde ein Bismarck gebraucht, das Problem zu lösen. Berlin hat aber nur Angela Merkel.


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