© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/07 09. Februar 2007

Ultimatum an den akademischen Nachwuchs
Kiel: Weil ein Germanistikprofessor auf einer Veranstaltung des RCDS die Vereinigten Staaten kritisiert hat, gerät der Studentenverband in Bedrängnis
Jochen Arp

Der Protest gegen die Verhunzung unserer Sprache durch schlechte Englisch-Einschiebsel wird lauter. Die Kieler Hochschulgruppe des Ringes Christlich-Demokratischer Studenten, (RCDS), der offiziellen Studentenorganisation der CDU, gewann den emeritierten Germanistikprofessor der Kieler Universität, Hans-Günter Schmitz, der bereits mehrfach über das Thema "Die Amerikanisierung der deutschen Sprache und Kultur" referiert hatte, diesen Vortrag auch für den RCDS im Kieler Audimax zu halten. So geschah es am 21. Januar, und die rund 40 Zuhörer gingen nach einer lebhaften und sachlichen Diskussion nach Hause.

Wenige Tage später aber erregte ein im Internet erschienener langer, nur mit den Initialen "AS" gezeichneter Artikel Presse und Rundfunk und kurz darauf auch die Mutterpartei CDU. Eine angebliche Vortragsbesucherin, die sich als CDU-Anhängerin ausgab, empörte sich über den Vortrag. Nie habe sie gedacht, daß "unter dem Banner des RCDS solche, teilweise im wahrsten Sinne des Wortes 'national-sozialistische' immer aber antiamerikanische, verschwörungstheoretische und geschichtsrevisionistische Gedanken verbreitet werden könnten". Da seien die amerikanischen Freunde als Besatzer bezeichnet und ihnen gar unterstellt worden, sie sähen Deutschland als Absatzmarkt für die amerikanische Kulturindustrie. Der Redner habe gar die deutsche Niederlage von 1945 als "Katastrophe" bezeichnet und vom dreißigjährigen Krieg gegen Deutschland gesprochen.

Dabei weiß doch "AS" ganz genau, daß "das Wilhelminische und das Hitler-Deutschland" ganz allein die Kriege angefangen habe. "AS" hat außerdem herausgefunden, daß Schmitz eine Broschüre "Die Globalisierung der deutschen Sprache und der Verlust der Sprachloyalität" in Alfred Mechtersheimer Verlag "Unser Land" hat erscheinen lassen, und Mechtersheimer sei laut Bericht des bayerischen Verfassungsschutzes "einer der wichtigsten Protagonisten rechtsextremistischer Bestrebungen". So fordert dann der Anonymus oder die Anonyma den RCDS "dringendst auf, sich von den Aussagen des Redners zu distanzieren".

Der Brief wurde von linken Hochschulgruppen zum Anlaß genommen, mit einem Flugblatt einen flammenden Appell an die Öffentlichkeit zu richten, in dem die "offen rechten Ansichten" des emeritierten Kieler Germanisten angeprangert werden, die von den Zuhörern auch noch heftig beklatscht worden seien.

Die unterzeichnenden Hochschulgruppen markieren Erschütterung und fordern die Christdemokraten in Schleswig-Holstein zu einer klaren Stellungnahme auf, "die keinen Zweifel daran läßt, daß rechtsextreme Meinungen in ihren Reihen nichts zu suchen haben". Solange der RCDS sich nicht ebenfalls distanziert, dürfe die Universität ihm keine Räume mehr zur Verfügung stellen.

Das Bemerkenswerte ist die Unterschrift nicht nur der Grünen Hochschulgruppe, der Jusos, der Hochschulgruppe die Linke und der Liberalen, sondern auch der Jungen Union, Hochschulgruppe Kiel. Von Zuhörern des kritisierten Vortrages ist zu hören, daß aus diesen Gruppen niemand an der Vortragsveranstaltung teilgenommen hat. Es fällt auf, daß das Flugblatt entgegen den Vorschriften des schleswig-holsteinischen Pressegesetzes keinen Verantwortlichen nennt.

Unkritisch werden Behauptungen zitiert

Schon wenige Tage später machte der Norddeutsche Rundfunk die angeblich rechtsextremen Vorkommnisse an der Kieler Universität zum Gegenstand einer ausführlichen Darstellung, und auch die Lokalzeitung Kieler Nachrichten rief in einem Artikel "Alarm" und behauptete: "Es rumort in der Kieler Hochschulszene", weil "offenbar rechtsextremistische Auswüchse auf einer Veranstaltung des RCDS" beobachtet wurden.

Unkritisch werden die Behauptungen des linken Flugblattes zitiert, ergänzt durch Äußerungen der Landesvorsitzenden der Grünen, solche "rechtsextremen Parolen" seien "aus einem deutschen Hörsaal unerträglich". Der Landesgeschäftsführer der CDU, Daniel Günther, beeilte sich zu versichern, der CDU-Landesverband nehme die Vorwürfe "sehr ernst".

Statt sich solidarisch vor seinen Studentenverband zu stellen, die Meinungsfreiheit zu verteidigen und die durchsichtige Aktion zurückzuweisen, setzte er dem Landesvorsitzenden der zur CDU gehörenden Studentenorganisation öffentlich ein Ultimatum, bis 15 Uhr des folgenden Tages zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Der stellte fest, es handele sich um eine verzerrende und absurde Darstellung; Schmitz, Vorstandsmitglied im Verein Deutsche Sprache, habe den Vortrag schon mehrmals ohne Beanstandungen gehalten.

Der Germanist erklärte, die Vorwürfe entbehrten jeder Grundlage. Da sie beleidigend und verleumderisch seien, habe er seinen Anwalt beauftragt, rechtliche Schritte gegen die Urheber und Verbreiter zu prüfen. Was der Landesverband Schleswig-Holstein der CDU gegen seine Kieler Hochschulgruppe zu unternehmen gedenkt, bleibt abzuwarten. 


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