© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/07 09. Februar 2007

Charmante Mosaiksteine
Familienpolitik I: Thüringen und Sachsen-Anhalt wollen mit finanziellen Anreizen die Geburtenrate heben / Ehekredit und Eigentumsförderung
Peter Freitag

Die Christdemokraten in Thüringen, die über eine absolute Mehrheit im Landtag verfügen, bringen eine neue Variante der Familienförderung in die Diskussion. Die CDU-Fraktion will in den Beratungen für den Landeshaushalt 2008/2009 die Schaffung eines sogenannten Elternkredits vorschlagen, mit dessen Hilfe jungen Paaren die Finanzierung des eigenen Nachwuchses erleichtert werden könne.

Anreiz zum Kinderkriegen soll nach diesen Vorstellungen vor allem eine besondere Form der "Tilgung" des Darlehens bieten: das "Abkindern". So könnte ein Paar zur Geburt des ersten Kindes einen Kredit in Höhe von 5.000 Euro bekommen; beim zweiten Kind würde die zurückzuzahlende Summe um 1.000 Euro reduziert werden, bei einem weiteren Geschwisterchen um nochmals 1.500, und mit dem vierten Kind wäre der Kredit rückzahlungsfrei getilgt. Genaue Details über geplante Laufzeiten oder Zinsen liegen noch nicht vor. Eine Ehe der Eltern soll für den Kredit nicht vorausgesetzt werden, ebenso unwesentlich ist die Frage nach der Höhe des Einkommens. Der geplante Geldsegen für Jungfamilien soll möglichst ohne größeren Bürokratieaufwand verteilt werden.

Auch ist nicht vorgesehen, andere Maßnahmen der Familienförderung zurückzunehmen; rund fünf Millionen Euro müßte der Freistaat daher jährlich nach ersten Berechnungen für diese familienpolitische Starthilfe aufwenden. Einen sofortigen Anstieg der Geburtenrate erwartet die CDU davon nicht, eher einen kleinen Anreiz: "Das ist nur ein charmanter Mosaikstein unserer Familienpolitik, mit dem man ein Kinderzimmer einrichten, ein familientaugliches Auto kaufen oder in eine größere Wohnung umziehen kann", sagte der Sprecher der Erfurter CDU-Fraktion, Karl-Eckhard Hahn.

Auch für Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) liegen bei dem Modell die Vorteile auf der Hand: So greife die Förderung gerade in der Startphase, wo die Einkommen am niedrigsten seien, und versetze junge Familien dadurch in die Lage, notwendige Anschaffungen zu tätigen. Außerdem, so der Politiker in einem Interview mit der Welt, müsse auch aus demographischen Gründen "ein Ja zu Kindern und zu Bindung wieder stärker zur Normalität" werden. Dem Vorwurf der Opposition, die CDU wolle mit dieser "Wiegenprämie" Frauen aus dem Berufsleben drängen, hält Althaus entgegen, daß in Thüringen der Rechtsanspruch auf den Kindergartenplatz vom dritten auf das zweite Jahr vorgezogen worden sei.

Soziapolitische Maßnahmen der DDR als Vorbild

Eine leicht abgewandelte Variante im Kampf gegen den - vor allem in Mitteldeutschland virulenten - Bevölkerungsschwund sieht die Regierung im benachbarten Sachsen-Anhalt vor. Die dortige schwarz-rote Koalition plant die Förderung des Neubaus oder Erwerbs von Wohneigentum mit einem Darlehen von bis zu 65.000 Euro mit einem Zinssatz von höchstens 0,99 Prozent. Zielgruppe ist auch hier vor allem die junge Familie. Denn für jedes Kind, das im fünfjährigen Förderzeitraum geboren wird, verringert sich die Kreditschuld um jeweils 5.000 Euro. "Mit diesem Programm leisten wir eine ganz praktische Unterstützung dabei, den Wunsch nach Kindern und den Traum von den eigenen vier Wänden miteinander zu verbinden", sagte Landesentwicklungsminister Karl-Heinz Daehre. Mit dieser Koppelung von Familien- und Eigentumsförderung erhofft sich das Land vor allem ein Ende der Abwanderung junger Menschen. Die Regierung spricht von "interessanten Synergieeffekten" bei "überschaubaren finanziellen Aufwendungen".

Ganz neu ist die Idee eines solchen Elternkredits indes nicht. Ein zinsloses Familiengründungsdarlehen, das "abgekindert" werden konnte, gehörte schon zu den sozialpolitischen Maßnahmen, mit denen die DDR Familienförderung betrieb. Damit versuchten die kommunistischen Machthaber, den rapiden Rückgang der Geburtenrate aufzuhalten, zu dem wiederum auch die 1972 eingeführte "Fristenregelung" bei Abtreibungen beigetragen hatte. Immerhin konnte in der DDR - nicht zuletzt mittels finanzieller Anreize - mit 245.000 Lebendgeburten 1980 wieder der Stand des Jahres 1969 erreicht werden.

Doch auch die roten Genossen kupferten von einem anderen Vorbild ab: Im Rahmen des sogenannten "Reinhardt-Programms" wurde von den Nationalsozialisten ein zinsloses "Ehestandsdarlehen" von bis zu 1.000 Reichsmark eingeführt, woraufhin die Zahl der Eheschließungen 1933 die des Vorjahres um 200.000 übertraf. Auch bei diesem Kredit konnte "abgekindert" werden; für jedes Neugeborene wurde dem Darlehensnehmer die Rückzahlung eines Viertels der Gesamtsumme erlassen. Auch nach 1933 kam es zu einem "Babyboom", der allerdings in der Folgezeit nicht die Erwartungen des Regimes erfüllte, sondern im wesentlichen eine Ende der zwanziger Jahre begonnene Entwicklung fortsetzte.

Foto: Baustelle Familie: Darlehen zum Hausbau vom Staat


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