© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/07 02. Februar 2007

Frisch gepresst

Kunst und Nation. Ist in jüngster Zeit von Kunsthistorikern im Dritten Reich die Rede, dann sitzt stets auch der Breslauer Ordinarius Dagobert Frey mit auf der Anklagebank. Nicht verwunderlich daher, ihm auch wieder in einem Sammelband über "Die Kunsthistoriographien in Ostmitteleuropa und der nationale Diskurs" zu begegnen (Robert Born, Alena Janatková und Adam S. Labuda, Hrsg., Gebrüder Mann Verlag, Berlin 2006, 479 Seiten, Abbildungen, broschiert, 29,80 Euro). Und ebensowenig überrascht, wenn Beate Störtkuhl zu Frey nicht mehr einfällt als seine "Verstrickung" in die "Ostforschung" und die ihm anzulastende kunsthistorische "Flankierung der nationalsozialistischen Expansionspolitik" in Polen. Im Umfeld von knapp dreißig Aufsätzen, die sich mit dem Beitrag befassen, den die Kunsthistoriker zur "Erfindung der Nation" bei Tschechen, Ungarn, Rumänen oder Polen seit Mitte des 19. Jahrhunderts leisteten, diskreditiert sich soviel Gedankenarmut von selbst. Einmal mehr erweist sich, wie intensiver Vergleich die hierzulande übliche Fixierung auf "Verstrickungen" als germanophobe Borniertheit entlarvt. Aufgrund der in der Edition reichlich gebotenen Vergleichsmöglichkeiten ergibt sich nämlich, daß - konfrontiert mit den bei der ideologischen Legitimierung expansiver nationaler Ansprüche wenig zimperlichen polnischen oder tschechischen Kunsthistorikern - ihre deutschen Kollegen in diesem ihnen aufgezwungenen "Diskurs" nie aus einer geradezu mitleiderregenden Defensive herauskamen.

Standortsuche. Richard Riess lehrte Praktische Theologie an der Augustana-Hochschule Neuendettelsau. Männer seiner Fachrichtung, die sich früher "Homiletiker" nannten, waren es, die innerhalb der alten theologischen Fakultäten viel stärker als die Systematiker, die Alt- und Neutestamentler zu Verstärkern oder Kritikern des Zeitgeistes wurden. In dieser Tradition scheint auch Riess noch zu stehen, wenn er unter dem programmatischen Titel "Auf der Suche nach dem eigenen Ort" (Mensch zwischen Mythos und Vision, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2006, 280 Seiten, broschiert, 25 Euro) anbietet, den "Orientierungsbedarf" des seiner religiösen Gewißheiten beraubten Mitteleuropäers zu decken. Sein keineswegs mehr dogmatisch-christliches Sinnangebot verläuft sich jedoch in poetischen Träumereien, von denen der Emeritus hofft, sie möchten das seit Max Webers Zeiten so empfundene stahlharte Gehäuse der technisierten Moderne erweichen.


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