© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/07 02. Februar 2007

Als die Kamera zaubern konnte
DVD: "Das blaue Licht"
Martin Lichtmesz

Irgendwo in den Dolomiten gibt es einen Berg, auf dessen Gipfel sich eine Höhle befindet, aus der in Vollmondnächten ein mysteriöses blaues Licht leuchtet. Viele junge Männer aus dem nahegelegenen Dorf haben schon versucht, sein Geheimnis zu ergründen, und sind dabei zu Tode gestürzt. Die einzige, die den Zugang zu dem Licht kennt, ist die herumstreunende Bettlerin Junta, die von den Bewohnern des Dorfes gehaßt und als "Hexe" beschimpft wird ...

Dies ist die Ausgangsposition von Leni Riefenstahls Debütfilm "Das blaue Licht" aus dem Jahre 1932. Nach langen Lehrjahren als Star von Arnold Fancks Bergmelodramen ("Der heilige Berg", 1925) hatte die 29jährige Schauspielerin das Filmhandwerk gründlich kennengelernt. Mehr und mehr war ihr Ehrgeiz geweckt worden, sich nun selbst hinter die Kamera zu stellen. Obwohl ihr Fanck von dem Projekt abriet, verfolgte Riefenstahl zielstrebig ihre Vision und drehte den Film quasi im Alleingang: Sie übernahm Regie, Drehbuch, "Bildgestaltung", produzierte, schnitt und spielte die Rolle der Junta. Das war zu dieser Zeit mehr als ungewöhnlich, erst recht für eine Frau.

Das Ergebnis ist der schönste und ungewöhnlichste Film des sonst eher mißratenen "Bergfilm"-Genres. Riefenstahl schuf das feminine Gegenstück zu Fancks Arbeiten: Nichts erinnert mehr an dessen "weiße Höllen", die Berge sind teils sonnendurchflutete, teils nebelverhangene, verwunschene Orte. An die Stelle eines realistisch gezeigten Überlebenskampfes tritt der naive Tonfall des Märchens und der Legende. Junta erscheint als ein lunares Naturwesen, einer Undine oder Lorelei verwandt.

Während Fritz Lang in den "Nibelungen" (1923/24) die Zauberwälder im Atelier nachbaute, drehte Riefenstahl ausschließlich draußen und stilisierte die Natur geschickt mit genuin fotografischen Mitteln. Zusätzlich besetzte sie in Nebenrollen originale Sarntaler Bauern, die dem Film ein authentisches Kolorit verleihen. Einen gewissen Charme hat auch die technische Unbeholfenheit der Tonspur dieses frühen Tonfilms: So kommt Riefenstahl als Junta das Italienische (!) eklatant asynchron über die Lippen. Dialoge gibt es jedoch ohnehin nicht viele, und so ist das optisch atemberaubende "Blaue Licht" über weite Strecken als Stummfilm mit Musik angelegt. Die Geschichte mündet in eine überraschende "Öko"-Message, die ihrer Zeit weit voraus war: Der Aufdeckung des Geheimnisses folgt die Entzauberung und Plünderung der Natur.

Zu den Bewunderern des Films gehörte leider auch Adolf Hitler, der durch ihn auf die genialische Jungfilmerin aufmerksam wurde. Ironisch ist in dieser Hinsicht, daß an dem Drehbuch der jüdische, marxistisch geprägte Filmautor Béla Balázs maßgeblich beteiligt war. "Das blaue Licht" blieb der einzige große Spielfilm der Regisseurin, der Nachfolger "Tiefland" (1940-53) glückte nur zum Teil. Die DVD von Arthaus enthält die frisch restaurierte Premierenfassung von 1932 und eine von Riefenstahl selbst um etwa zwölf Minuten gekürzte Version aus dem Jahre 1951 in deutlich schlechterer Bildqualität. Im selben Verlag sind auch beide Teile von "Olympia" (1936/1938) und "Tiefland" erhältlich.

Foto: Leni Riefenstahl in ihrem Film "Das blaue Licht"


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