© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/07 02. Februar 2007

Wer schläft, sündigt nicht
Robert Backhaus

Das Mandat von Christian Schwarz-Schilling als Hoher Repräsentant in Bosnien-Herzegowina soll nicht verlängert werden, Schwarz-Schillings UN-Karriere ist damit beendet. Als Grund wird hinter vorgehaltener Hand genannt, daß dieser Hohe Repräsentant bei politischen Handlungen der letzten Zeit zu oft eingeschlafen sei, zuletzt mitten in einer Fernsehdiskussion, wo er mit auf dem Podium saß und sich rege hätte beteiligen sollen.

Aber seit wann gilt es eigentlich als ein Zeichen politischer Unzulänglichkeit, wenn man während der Geschäfte hin und wieder ein kleines Spontan-Nickerchen macht? Japanische Schlafforscher haben soeben herausgefunden, daß solche sekundenlangen "Geschäfts-Nickerchen" außerordentlich erquickend sind und dem Ablauf der Dinge nur nützen.

Von US-Präsident Ronald Reagan ist überliefert, daß er in die Sitzungen des von ihm geleiteten Regierungskabinetts mit Vorliebe ein kurzes Schläfchen einschob. Seinem Renommee hat das nicht geschadet, im Gegenteil: die vortragenden Minister hielten jeweils erschrocken inne und fragten sich, ob sie vielleicht soeben bloßes Blech geredet hatten. Der Diskurs wurde nach jedem Nickerchen konkreter, der Präsident wachte wieder auf - und ging als einer der erfolgreichsten Führer seines Landes in die Geschichte ein.

Man darf vermuten, daß es nicht die Nickerchen als solche waren, die Schwarz-Schilling das Amt gekostet haben. Vielmehr muß man darin wohl eine Rache der Medien sehen. Daß sich der Hohe Repräsentant erkühnte, ausgerechnet während einer Fernsehdiskussion (!) einzuschlafen, dem "Wichtigsten", was es heute überhaupt in der Politik gibt - das war sein Fehler. Er machte damit fatal offenkundig, daß es mit der Wichtigkeit nicht allzu weit her sein kann. Er demonstrierte körperlich vor, was im Publikum ohnehin alle dachten.


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