© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/07 02. Februar 2007

"Der Krieg ist unvermeidlich"
Iran: Der Exil-Autor Bahman Nirumand sprach in Berlin über die US-Außenpolitik und die Zukunft seines Landes
Fabian Schmidt-Ahmad

Bahman Nirumand ist jemand, dessen Denken sich nicht so leicht vereinnahmen läßt. 1936 als Sproß einer angesehenen Familie in Teheran geboren, muß er als Gegner des Schah-Regimes 1965 den Iran verlassen. Er flüchtet nach Berlin und wird Teil der damaligen Studentenbewegung. Sein Buch "Persien: Modell eines Entwicklungslandes", das kurz vor dem Schahbesuch erschien, trug maßgeblich zur Politisierung der Studenten bei. 1979 kehrt Nirumand im Vorfeld der Revolution wieder in den Iran zurück, muß diesen aber bereits drei Jahre später enttäuscht verlassen. Seitdem lebt er wieder in Berlin, und seine kritischen Veröffentlichungen über das iranische Regime werden es auch auf absehbare Zeit unmöglich machen, in das Land zurückzukehren, welches er noch immer seine Heimat nennt.

Kontrolle über die fossilen Energievorräte der Region

Vergangenen Donnerstag stand also kein Unbekannter vor der Zuhörerschaft in der Humboldt-Universität zu Berlin. In der von den Attac-Gruppen der FU und HU organisierten Veranstaltung ging Nirumand zunächst der Frage nach den Ursachen des derzeitigen Atomkonfliktes zwischen den USA und dem Iran nach. Nirumand machte deutlich, daß dieser nur eine Stellvertreterfunktion besitzt. Tatsächlich sei die Ursache in geostrategischen Überlegungen der USA zu sehen, die durch eine aggressive Militärpolitik die Kontrolle über die fossilen Energievorräte der Region anstrebt: ein Plan, der bis auf die zwei "Lücken" - Syrien und den Iran - verwirklicht wurde.

Zur Stützung seiner These veranschaulichte Nirumand, wie der Atomkonflikt eigentlich hätte beigelegt werden können. Im Jahr 2004 standen das iranische Regime - damals noch mit dem Reformer Chatami - und die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) kurz vor einer Einigung. Auf Druck der USA kam es jedoch nicht dazu. Statt dessen wurden seitens der IAEA neue Forderungen gestellt.

Im Frühjahr 2006 brachte die russische Regierung einen Kompromißvorschlag ein. Das iranische Regime deutete bereits ein prinzipielles Einverständnis an, als dieser Vorschlag vom russischen Außenminister nach einem Gespräch mit seiner US-Kollegin wieder zurückgezogen wurde. Die unverhüllten militärischen Drohungen der amerikanischen und israelischen Regierungen dürften auf ihre Art zu einer schrittweisen Eskalation des Konflikts beitragen.

Auf der anderen Seite hält es Nirumand für nicht ausgeschlossen, daß das iranische Mullah-Regime sich tatsächlich um die Entwicklung und Herstellung von Atomwaffen bemüht. Einerseits ist es vom militärischen Gesichtspunkte aus naheliegend, da der Iran von einem Ring aus US-Militärbasen umgeben und es erklärtes Ziel der Washingtoner Regierung ist, dort einen Regimewechsel anzustreben.

Zu deutlich sei die ungleich bessere Position des nordkoreanischen Regimes. Andererseits könnte sich dadurch der Iran politisch in der muslimischen Welt als Hegemon etablieren und die arabischen Staaten als Führungsmacht ablösen. Nirumand persönlich schätzt dies freilich als bloße Illusion ein. Zu groß seien die Konflikte sowohl innerhalb der muslimischen Welt als auch des Iran selbst.

Spannungen zwischen den Religionen und Ethnien Irans

Als intimer Kenner beschreibt Nirumand das komplizierte und krisenanfällige Geflecht der Islamischen Republik. Anders als eine Militärdiktatur bestehe der Iran aus einer Vielzahl von oligopolen Machtzentren, die Zweckbündnisse miteinander eingehen. Das iranische Regime ist in diesem Geflecht keineswegs souverän. So besitzt es beispielsweise kaum Einflußmöglichkeit auf die Häfen, die von wirtschaftlichen Vereinigungen kontrolliert werden. Diese Vereinigungen, die aus den sozialen Stiftungen der unmittelbaren Revolutionszeit hervorgegangen sind, herrschen sowohl über legale wie illegale Wirtschaftsbereiche. Obwohl ein Kampf gegen die Korruption offiziell ein wesentliches Anliegen des amtierenden Regimes war, ist hier eine Politik gegen diese mafiaähnlichen Organisationen praktisch unmöglich.

Die inneren sozialen Konflikte des Irans werden nach Nirumands Ansicht von außen angeheizt. Die USA nutzten die Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten, zwischen den verschiedenen Ethnien des Vielvölkerstaates zur Destabilisierung des Iran. Angesichts des zunehmenden Unwillens der US-Bürger, sich von ihrer Regierung in immer weiterreichende Kriege hineinziehen zu lassen, scheint dies eine Alternative zur direkten militärischen Intervention darzustellen.

Gelingt es den USA jedoch nicht, den Iran auf diese Weise unter ihre Herrschaft zu bringen, so sieht Nirumand gerade angesichts der jüngsten Truppenentsendung in den Irak die Zukunft des Iran tragisch: "Der Krieg ist unvermeidlich".

Bahman Nirumand: Iran. Die drohende Katastrophe, Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2006, broschiert, 220 Seiten, 16,90 Euro


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