© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/07 26. Januar 2007

CD: Klassik
Zeitreise
Andreas Strittmatter

Am 1. Februar wäre die große Renata Tebaldi 85 Jahre alt geworden. Mit der als "Engelsstimme" bekannten italienischen Sopranistin starb 2004 die letzte echte Operndiva. La Tebaldi konnte noch auf alles zugreifen, was eine Diva auszeichnet. In ihrem Fall war es die Macht zur königlichen Kantilene, ferner eine entsprechende Garderobe, das Publikum eines wichtigen Opernhauses (Metropolitan Opera), das ihr zu Füßen lag, und vor allem eine eigene weltweite Fraktion (die Tebaldiani), welche sich mit den Anhängern der ebenfalls notwendigen Konkurrenz (Callas) regelmäßig Scharmützel lieferte. Als Sahnehäubchen wäre noch die Kreation mindestens einer Süßspeise (analog zum Pfirsich Melba etwa Crème Tebaldi) oder die Taufe eines Parfums auf den Namen der Sängerin wünschenswert gewesen, eine Ehre, die weiland Geraldine Farrar zuteil ward, während Montserrat Caballé - die allein schon deshalb als Diva total ausfällt - zeitweilig Werbung für Kölnisch Wasser trieb.

Jene Primadonnen, die aktuell ernstzunehmend auf der Bühne stehen, haben ihrerseits kaum das Zeug zur Diva, weil die Masse zwischenzeitlich lieber Alters-Akrobatinnen (Madonna), reichen Zicken (Paris Hilton) oder Schlampen (Britney Spears) nachhechelt. Im Bikini Bellini zu trällern und einen Mitschnitt davon auf DVD zu veröffentlichen (Anna Netrebko), reicht da nicht mehr. Nur die slowakische Sopranistin Edita Gruberova scheint noch am Glanz vergangener Zeiten zu partizipieren, wenn sie nach ihren Vorstellungen auf Hinterbühnen Hof hält. Selbst Gruberova-Hasser ("die böhmische Hausfrau") singen letztlich - Motto: viel Feind', viel Ehr' - noch das Lob der Sängerin. Doch es bleibt dabei, die Diven sind ausgestorben.

Die Feststellung trifft auch auf Reneé Fleming zu, mithin eine vor allem für Partien der deutschen und französischen (Spät-)Romantik derzeit sehr gefragten Sopranistin. Mit "Homage - The Age of the Diva" (Decca/Universal Music) begibt sich die amerikanische Sängerin auf eine Zeitreise - und landet noch ein bis zwei Generationen vor Renata Tebaldi.

Das Repertoire der CD reicht von Verdi bis Richard Strauss mit Ausflügen zu Cilea, Puccini, Smetana, Tschaikowsky, Gounod, Massenet und Korngold - wobei die eingespielten Titel mehr oder minder eng mit berühmten Namen verbunden sind, die heute freilich nur noch Liebhabern historischer Aufnahmen wirklich ein Begriff sind: In Flemings imaginärer Ahnengalerie finden sich Größen wie Rosa Ponselle, Mary Garden oder Maria Jeritza.

Viele dieser Sängerinnen entzogen sich noch der zwischenzeitlich üblichen Einteilung in Stimmfächer. So gehört es auch unzweifelhaft zu den Meriten der Scheibe, wie stilsicher und vokal souverän sich die heutige Interpretin ebenso in verzierten Stücken - etwa aus Verdis "Il Trovatore" - bewegt wie in der extrem höhenträchtigen Geständnis-Szene aus Korngolds "Das Wunder der Heliane". Gerade an diesem Stück mit seiner mehr als nur unterschwelligen Erotik läßt sich nachvollziehen, warum die bald 48jährige Fleming zur Weltklasse gehört. Mit dem gesamten Potential an Farben und dynamischen Abstufungen reizt ihre reiche Stimme Korngolds zwischen Inbrunst und Décadence flirrende Musik aus - und auf.

Noch ein zweiter Grund spricht für diese Aufnahme, und auch hier könnte der "Heliane"-Komponist als Zeuge aufgerufen werden. "Homage" wartet mit einigen reizvollen Passagen aus heute selten gespielten Opern auf. So findet sich als Schlußpunkt die Briefszene aus Korngolds Oper "Die Kathrin" mit ihrem liedhaften Passus "Ich soll dich nicht mehr wiedersehn, mein guter Herr Soldat" - anrührende Musik, die gekonnt den schlichten Volkston in musikalische Spätromantik übersetzt und von Renée Fleming bezaubernd zu neuem Leben erweckt wird.


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