© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/07 26. Januar 2007

Staatsräson-Urteil
von Thorsten Hinz

Keine zwei Tage brauchte das Braunschweiger Landgericht für den Prozeß gegen den früheren VW-Manager Peter Hartz. Die Eile und die Absprache zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung über die Strafe - zwei Jahre Gefängnis auf Bewährung, dafür das Geständnis des Angeklagten - mit Prozeßökonomie zu begründen, ist Volksverdummung. Der Name von Peter Hartz steht für ein Konzept, das den Arbeitsmarkt und die Sozialsysteme der Republik revolutionieren sollte und nur Frustration gebracht hat. Aus Gründen der Staatsräson kann nicht zugelassen werden, daß der Namensgeber und ehemalige Kanzler-Freund ins Gefängnis geht und dort rachelüstern für die Öffentlichkeit schmutzige Wäsche wäscht. Die Folgen für die staatlichen Institutionen wären verheerend.

Mildernd wird geltend gemacht, daß Hartz die veruntreuten Millionen nicht in die eigene, sondern dem VW-Gewerkschaftsboß in die Tasche gesteckt habe, um ihn von einem betriebsinternen Modell zu überzeugen, das Arbeitsplätze rettete. Dann hätten trotzdem nicht Argumente, sondern Bestechung die Entschlüsse bestimmt. Bei anderer Gelegenheit werden eben Entscheidungen herbeigeschmiert, die die Allgemeinheit schädigen. Der VW-Konzern ist eine Bundesrepublik en miniature, wo sich Staat, Kapital, Parteien und Gewerkschaften einen Konsens erkungeln. Die wenigen Enthüllungen, die im Vorfeld des Hartz-Prozesses gestattet waren, lassen erahnen, daß es dabei schmutziger zugeht, als der bundesdeutsche Michel sich das lange Zeit vorstellen mochte.


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