© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/07 12. Januar 2007

Frisch gepresst

Friedrichstein. Der Dirigent Christian Thielemann, Jahrgang 1959, galt in seiner sich gern exzessiv international gebenden Branche stets als "reaktionär". Dazu braucht es in diesen Kreisen wenig: ein Porträt des großen Königs im Büro, das Bekenntnis zur spätromantischen Interpretationskunst Wilhelm Furtwänglers sowie die Passion für die Geschichte und Kultur einer deutschen Ostprovinz, dokumentiert in zahllosen Suchinseraten im Ostpreußenblatt, die dem spätbarocken Heim der Dönhoffs galten, Friedrichstein, das 1945 dem Erdboden gleichgemacht wurde. Nun hat Thielemann zusammen mit dem Kunsthistoriker Kilian Heck einen stattlichen Band über "Das Schloß der Grafen von Dönhoff in Ostpreußen" herausgegeben (Deutscher Kunstverlag, Berlin, München 2006, 320 Seiten, gebunden, Abbildungen, 68 Euro), der ihn in den Augen seiner Kritiker wohl endgültig als "Überpreußen" abstempelt. Doch das sind Nichtigkeiten angesichts der Leistung, hier eine der wichtigsten kulturhistorischen Arbeiten über das "Land der dunklen Wälder" vorgelegt zu haben. Mit den vierzig Jahre alten Monographien von Carl Grommelt und Christine von Mertens über Schlobitten (1962) sowie der über Finckenstein (1966) von Carl von Lorck verfügen wir jetzt über eine - mit dem Blick auf die Ruinen leider vorwiegend melancholisch stimmende - Trilogie ostpreußischer Adelskultur.

Elisabeth. Obwohl man keine konkreten Quellen zum Geburtsdatum der ungarischen Königstochter Elisabeth hat, veranschlagt man dieses auf den Herbst des Jahres 1207. Aus diesem Grunde steht also das 800. Jubiläumsjahr der jungen Adligen ins Haus, deren Weg sie bereits vierjährig an den Hof des nicht nur aus Richard Wagners "Tannhäuser" berühmten Landgrafs Hermann auf die Wartburg führte. Im Alter von 13 Jahren wird die höfisch erzogene Elisabeth Gattin Ludwigs IV., Sohn und Nachfolger des kunstsinnigen Landgrafen. Noch vor der Geburt ihres dritten Kindes 1227 bricht Ludwig mit Kaiser Friedrich II. zum Kreuzzug ins Heilige Land auf, wo er gleich dem Typhus erliegt. Den biographischen Bruch, der als Abkehr vom Weltlichen zur karitativen Religiosität die Grundlage ihres späteren heiligen Mythos ausmachte, deutet Ortrud Reber in ihrem eindrucksvollen mittelalterlichen Sittengemälde eher als dynastisch motivierte Verstoßung ihres Schwagers vom Hof, der sie zur "Abgabe" ihrer drei Kinder und als "arme Sünderin" - intellektuell dem Mystizismus der Zeit zugetan - aus ihrer Not eine Tugend zu machen zwang. So widmete sich Elisabeth in den letzten drei Lebensjahren in Marburg an der Lahn der Gründung und Leitung eines Hospitals, wobei sie geschickt ihre Kontakte vom einflußreichen Theologen Konrad von Marburg bis hin zum Papst nutzte und uneigennützig ihre letzte Habe einbrachte. Nur vier Jahre nach ihrem Tode wurde sie heiliggesprochen (Elisabeth von Thüringen. Landgräfin und Heilige. Eine Biographie. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2006, gebunden, 207 Seiten, Abbildungen, 22 Euro).


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