© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/07 12. Januar 2007

Rechter Minimalkonsens
Europaparlament: Zwanzig Abgeordnete aus sieben EU-Länder schließen sich zu einer Fraktion zusammen
Jörg Fischer

Am kommenden Montag ist es soweit: Zwanzig Abgeordnete aus sieben EU-Ländern schließen sich zu einer neuen rechtsdemokratischen Fraktion im Straßburger Europaparlament zusammen. "Identität/Souveränität/Transparenz" (IST) wird sie heißen, der französische Europaabgeordnete Bruno Gollnisch, Vizechef des Front National (FN), soll ihr Vorsitzender werden (JF 52/06).

Bislang gab es sieben Fraktionen im EU-Parlament. Die fünf größten davon entsprachen der Politlandschaft des Bundestages, von Christdemokraten bis Linken. Die beiden anderen - die rechte Fraktion Union für das Europa der Nationen (UEN) und die EU-kritische Fraktion Unabhängigkeit/Demokratie (ID) - würden nach bundesdeutscher Lesart wohl als "Extremisten" gelten. Daneben gab es Dutzende Fraktionslose. Angesichts des Beitritts von Rumänien und Bulgarien zum Jahresbeginn 2007 und des Austritts von italienischen Lega-Nord- und polnischen LPR-Abgeordneten aus der ID kam aber vergangenes Jahr Bewegung in die festgefügten Aus- und Abgrenzungen (JF 45/06).

Die Lega und die (bislang fraktionslose) linkspopulistische polnische Regierungspartei Samoobrona sowie ein Teil der ebenfalls mitregierenden nationalkatholischen LPR schloß sich der UEN an und machte diese 2006 zur viertstärksten Kraft - noch vor Grünen und Linken. Zunächst 20 EU-Abgeordnete gründen nun aber ihre eigene Fraktion - die IST.

Die größte Delegation stellt mit sieben Abgeordneten der FN, darunter sind Parteichef Jean-Marie Le Pen und seine Tochter Marine. Zweitgrößte Delegation wird mit fünf Abgeordneten die neu hinzugekommene Großrumänenpartei (Partidul România Mare/PRM). Der belgische Vlaams Belang (VB) entsendet seine drei Parlamentarier und aus Italien wird Duce-Enkelin Alessandra Mussolini sowie der Fiamma Tricolore-Abgeordnete Luca Romagnoli zur IST gehören. Hinzu kommen je ein Abgeordneter aus Österreich, Bulgarien und Großbritannien.

Die politische Bandbreite der IST ist groß - speziell die populistischen Wahlkampftöne der bulgarischen Ataka oder die kommunistische Vergangenheit einzelner PRM-Politiker dürften noch öfter für Boulevardschlagzeilen herhalten. Der britische Zuwanderungskritiker Ashley Mote, der über die EU-feindliche UK Independence Party (UKIP) ins Parlament kam, ist hingegen ein Marketing-Profi, der 2005 zusammen mit dem österreichischen EU-Kritiker Hans-Peter Martin die Plattform für Transparenz (www.eti.info) ins Leben rief. Der Ex-Spiegel-Autor Martin war 1999 als parteiloser Spitzenkandidat der SPÖ ins Parlament gekommen.

Es gebe ein gemeinsames Programm, erklärt der FPÖ-Abgeordnete Andreas Mölzer. "Allerdings ist es ein Minimalkonsens." Man sei gegen einen zentralistischen EU-Bundesstaat, gegen den Türkei-Beitritt und die Massenzuwanderung. Gemeinsam trete man für nationale Identitäten und eine Stärkung der europäischen Familien ein - ähnlich wie in der "Wiener Erklärung" vom November 2005 vereinbart (JF 47/05).

Alessandra Mussolini sieht in der IST "mehr eine technische als eine politische Gruppe". Der Zusammenschluß sei aber notwendig, denn nur in einer Gruppierung könne man am politischen Prozeß aktiv teilnehmen. Eine Fraktion hat in der Tat viel mehr Mitwirkungsmöglichkeiten, etwa bei Übersetzungen oder der Einstellung von Referenten. Die neue Fraktion kann möglicherweise einen Ausschußvorsitz beanspruchen.

Auch wenn die IST zunächst nur 2,6 Prozent der 784 EU-Parlamentarier stellt, könnte sich das bei den Europawahlen 2009 ändern - einerseits weil sich FN, VB, FPÖ und Ataka im Aufwind befinden, andererseits weil dann über eine denkbare IST-Europaliste auch bislang an nationalen Prozenthürden gescheiterte Protestparteien aus Deutschland, den Niederlanden, Schweden oder der Slowakei ins EU-Parlament gelangen könnten.


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