© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/07 12. Januar 2007

Stoiber allein im Ring
CSU: Auch die traditionelle Klausurtagung in Wildbad Kreuth konnte die Führungskrise der Partei nicht beenden / Machtkampf geht weiter
Paul Rosen

Die bayerische "Spitzelaffäre" wächst sich zu einer Führungskrise der CSU aus. In einem Akt der Verzweiflung mußte das CSU-Präsidium einen Solidaritätsappell für den angeschlagenen Parteichef Edmund Stoiber beschließen. "Edmund Stoiber ist und bleibt die Nummer eins in unserer Partei und in Bayern", heißt es in dem Papier, das in der einst erfolgsverwöhnten Partei für Ruhe sorgen soll.

Altgediente CSU-Beobachter fühlen sich inzwischen an die "Amigo-Affäre" des früheren Ministerpräsidenten Max Streibl erinnert. Der bekam auch bis zum Tage seines Rücktritts Solidaritätsadressen. Doch der Unterschied könnte krasser nicht sein: Für Streibl standen gleich mehrere bundesweit bekannte Politiker als Nachfolger bereit, unter anderem Stoiber. Zum heutigen CSU-Chef sind jedoch keine überzeugenden Alternativen in Sicht.

So wurde die Kreuther Tagung der CSU-Bundestagsabgeordneten, früher eine Demonstration bayerischer Macht und Stärke, in diesem Jahr zu einer echten Klausur. Man schottete sich ab, übte das Wundenlecken und rätselte, ob die Probleme mit Stoiber jetzt zu Ende gehen oder nicht. Seine Widersacherin, die Fürther Landrätin Gabriele Pauli, gibt jedenfalls nicht auf. In der Sendung "Sabine Christiansen" verlangte sie, Stoiber solle "in allen Ehren" aus dem Amt scheiden.

Auch im CSU-Präsidium, das Stoiber offiziell "volle Rückendeckung" gab, werden hinter vorgehaltener Hand Fragen gestellt. Ein Präsidiumsmitglied, das seinen Namen nicht genannt wissen wollte, sagte zum Beispiel, es könne nicht sein, daß eine einfache Kommunalpolitikerin, die weder in der Landtagsfraktion noch in der Landesgruppe der Bundestagsabgeordneten verankert sei, eine derartige Welle des Unmuts gegen Stoiber erzeugen könne. Der Grund könne nicht allein darin liegen, daß der inzwischen zurückgetretene Büroleiter des Ministerpräsidenten versucht habe, Details aus dem Privatleben der Politikerin in Erfahrung zu bringen. Der Unmut müsse tiefere Ursachen haben, sonst wären die Attacken der Landrätin und ihre Forderung nach einer Urwahl des Spitzenkandidaten für die Landtagswahl nicht auf so fruchtbaren Boden gestoßen.

Der Blick für die Realität ist abhanden gekommen

Dem CSU-Chef wird intern vorgeworfen, in der "Spitzelaffäre" schwere Fehler gemacht zu haben. So mußten der Fraktionsvorsitzende Joachim Herrmann und Landtagspräsident Alois Glück auf Stoiber einreden, Pauli einen Gesprächstermin anzubieten. Und in der Präsidiumssitzung wurde Stoiber unter heftigen Druck gesetzt, in die Solidaritätserklärung überhaupt einen Satz zur Affäre aufzunehmen. Dem CSU-Chef fehlt offenbar die menschliche Größe zu einer Entschuldigung, und seinen Ratgebern ist der Blick für die Realität abhanden gekommen. Schließlich mußte Stoiber einer Erklärung zustimmen, in der es heißt: "Das CSU-Präsidium begrüßt, daß wegen des Telefonats eines Mitarbeiters rasch die notwendigen Konsequenzen gezogen wurden. Damit hat der Ministerpräsident und Parteivorsitzende deutlich gemacht, daß es keine Zweifel über Regeln und Grenzen des innerparteilichen Umgangs miteinander geben darf."

Stoiber fühlte sich nach der Präsidiumssitzung wie nach einem Befreiungsschlag: "Ich stelle mich weiter der Führungsverantwortung für unser Land und unsere Partei." Und Glück stellte lapidar fest: "In der CSU gibt es keine Führungskrise." Herrmann fragte angesichts der erfolgreichen Regierungsarbeit der CSU, warum man beim Tabellenführer den Trainer auswechseln solle.

Die Präsiden wiesen zugleich den Vorschlag zurück, den Spitzenkandidaten für die Landtagswahl in einer Urabstimmung wählen zu lassen. Hatte es bisher noch geheißen, eine Urwahl mache keinen Sinn, weil es nur einen Bewerber (Stoiber) gebe, so müssen jetzt andere Begründungen herhalten. Glück verwies auf die Erfahrungen im Nachbarland Baden-Württemberg, wo der Wahlkampf zwischen den Kandidaten Oettinger und Schavan in der CDU zu "tiefen Verletzungen" geführt habe.

Also alles wieder gut bei der CSU? Mitnichten. Am vergangenen Wochenende fielen einige Zwischentöne von Führungsfiguren auf. So sinnierte Glück, ob es sein könne, daß sich bei Stoiber nach dreizehnjähriger Amtszeit vielleicht doch Abnutzungserscheinungen zeigten. Und Landesgruppenchef Peter Ramsauer begann öffentlich darüber nachzudenken, ob die CSU vielleicht die Ämter des Ministerpräsidenten und des Parteivorsitzenden in getrennte Hände legen könnte. Damit war die CSU schon früher gut gefahren. Jahrzehntelang herrschte Franz Josef Strauß über die Partei, während Alfons Goppel Ministerpräsident war. Und zu Streibls Zeiten war Theo Waigel Parteichef. Waigel strebte nach Streibls Sturz zwar auch das Ministerpräsidentenamt in München an, konnte sich jedoch nicht gegen Stoiber durchsetzen. 1998 beerbte Stoiber schließlich Waigel im Parteivorsitz. Glück und Ramsauer fühlten sich mißverstanden, aber es bleibt der Eindruck, daß der Machtkampf in der CSU weitergeht. Es ist ein seltsamer Kampf, weil Stoiber allein im Ring steht. Keiner will offen gegen ihn antreten.

Foto: CSU-Chef Edmund Stoiber in Wildbad Kreuth: Keiner will offen gegen den Parteivorsitzenden antreten


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen