© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/07 5. Januar 2007

Selbstverschuldeter Niedergang
Parteien: Diskussion über NPD- Verbotsverfahren / Landtagsfraktion in Sachsen zerfällt / Partei droht Rückforderung von 870.000 Euro
Peter Freitag

Kurz vor dem Jahreswechsel keimte wieder einmal ansatzweise die Debatte um einen neuerlichen Verbotsantrag gegen die NPD auf, wobei die Trennlinie zwischen Befürwortern und Gegnern einer solchen Neuauflage des 2003 am Bundesverfassungsgericht gescheiterten Verfahrens quer zu den Grenzen der politischen Lager verläuft.

Für ein NPD-Verbot sprach sich jüngst der Innenminister von Sachsen-Anhalt, Holger Hövelmann (SPD), aus: "Ich bin überzeugt, die NPD ist eine verfassungsfeindliche Partei", sagte er der Nachrichtenagentur AP. Zudem habe sich seit dem Scheitern des ersten Parteiverbotsantrags viel verändert. Die Partei habe ihre Basis durch die systematische Integration neonazistischer Kameradschaften gestärkt.

Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, verlangte, das Verbot der NPD gehöre schnellstens wieder auf die Tagesordnung. Politik und Gesellschaft forderte er zu einem entschlosseneren Vorgehen gegen Rechtsextremisten auf. Es gehe darum, "dem braunen Pöbel die Rote Karte zu zeigen", sagte er.

"Wir müssen die NPD politisch bekämpfen"

Der baden-württembergische Innenminister Heribert Rech (CDU) lehnte dagegen die Einleitung eines neuen Verbotsverfahrens ab: "Parteiverbotsverfahren helfen uns nicht weiter, wir müssen die NPD politisch bekämpfen", sagte Rech. Auch nach Ansicht des Bremer Innensenators Thomas Röwekamp (CDU) hätte ein Verbotsantrag derzeit keine Aussicht auf Erfolg.

SPD-Chef Kurt Beck verlangte "einen gemeinsamen Beitrag aller Demokraten" gegen das Erstarken des Rechtsextremismus besonders in Mitteldeutschland. Die SPD habe bereits einige Sonderaktionen gestartet, "um dort, wo die NPD besonders stark ist, auch mit Unterstützung der Bundes-SPD gegenzuhalten".

Um ihre weitere Existenz müssen die Nationaldemokraten jedoch weniger wegen solcher politischer Planspiele bangen als vielmehr wegen zahlreicher Affären und Zerfallserscheinungen, die von Parteimitgliedern selbst verschuldet wurden. Von einem "tragischen Zerfallsprozeß" in den eigenen Reihen sprach sogar der Vorsitzende der sächsischen NPD-Landtagfaktion, Holger Apfel.

Dabei begann der Zerfall ziemlich banal vor einem Jahr mit dem Austritt dreier Abgeordneter aus Fraktion und Partei samt wechselseitiger Vorwürfe wegen undemokratischen Verhaltens beziehungsweise geheimdienstlicher Verbindungen.

Den Unfalltod des damaligen Fraktionsvizes Uwe Leichsenring nicht eingerechnet, sind die letzten beiden Abgänge aus dem parlamentarischen Arm der "nationalen Opposition" in Dresden eher peinlich, da sie das Klischee vom "rechten Narrensaum" bestätigen. So mußte der Abgeordnete Klaus-Jürgen Menzel (66) offiziell wegen finanzieller Ungereimtheiten die Fraktion verlassen, mehr oder weniger freiwillig gab Matthias Paul (29) sein Mandat auf, seitdem bekannt wurde, daß gegen ihn wegen des Besitzes und der Verbreitung kinderpornographischen Materials ermittelt wird.

Gegen Menzel, der sein Mandat behalten hat, verhängte das Landtagspräsidium zudem ein Hausverbot, nachdem er am 12. Dezember versucht hatte, eine scharfe Schußwaffe in den Landtag schmuggeln zu lassen. Der aus Niedersachsen stammende Menzel geriet zudem in die Schlagzeilen, weil er gegenüber der Presse geäußert hatte, er lasse "auf den Führer nichts kommen". Nicht jedoch diese verbale Entgleisungen, sondern die Tatsache, daß er hohe Schulden bei Privatpersonen angehäuft hat, führte zu Sanktionen der Partei.

Mittlerweile ist den Offiziellen anscheinend peinlich, Menzel überhaupt auf den Kandidatenliste geführt zu haben. "Es ist bedauerlich, daß Herr Menzel im Jahre 2003 auf die NPD-Landesliste gelangen konnte. Den Delegierten des Landesparteitages waren seinerzeit die chaotischen Lebensverhältnisse von Herrn Menzel wie auch seine politischen und charakterlichen Wirrungen nicht bekannt", heißt es in einer Presseerklärung der Fraktion.

Vorermittlungen gegen Landtagsabgeordneten

Weniger problematisch sind für die Fundamentaloppositionellen Meldungen, wonach die Dresdner Staatsanwaltschaft Vorermitlungen gegen den Landtagsabgeordneten Jürgen Gansel wegen des Verdachts der Volksverhetzung aufgenommen habe. Wie die Leipziger Volkszeitung berichtete, sollen Passagen eines NPD-Argumentationspapiers aus Gansels Feder einen derartigen Verdacht nahegelegt haben. In dem Papier befänden sich Anklänge an die nationalsozialistische Rassenideologie, da es dort unter anderem heißen soll: "Die Mischlinge, die deutsch-nichteuropäischen Beziehungen entstammen, werden das sich renationalisierende Deutschland über kurz oder lang freiwillig verlassen, weil ihnen der nationale Klimawandel nicht paßt." Auch der Passus von einer "psychologischen Kriegführung jüdischer Machtgruppen gegen unser Volk" soll die Aufmerksamkeit der Ermittler geweckt haben.

Ungemach droht der NPD auch in finanzieller Hinsicht. Weil die Partei voraussichtlich 870.000 Euro staatlicher Parteienfinanzierung wegen falscher Rechenschaftsberichte nachzahlen muß, stehen die Nationaldemokraten vor einem finanziellen Scherbenhaufen. So mußte ein Sprecher der Partei bestätigen, daß zehn von zwölf Angestellten der Bundesgeschäftsstelle entlassen werden mußten. Außerdem sind Immobilien der Partei bereits mit erheblichen Hypotheken belastet. Schatzmeister Erwin Kemna hat jetzt alle Mitglieder aufgefordert, mindestens 100 Euro zu spenden, um die "nationale Sache" vor dem finanziellen Debakel zu bewahren.


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