© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/07 5. Januar 2007

Jürgen Werth
Der neue Mann
von Marcus Mockler

Manche kennen ihn noch aus dem Fernsehen: Jürgen Werth war von 1989 bis 1991 Sprecher des "Wortes zum Sonntag". Seit 1. Januar ist der 55jährige nun ehrenamtlicher Vorsitzender der Deutschen Evangelischen Allianz - des Dachverbandes der schätzungsweise 1,3 Millionen Evangelikalen des Landes. Evangelikale, das sind theologisch konservative protestantische Christen, die versuchen, konsequent nach der Bibel zu leben. In Deutschland haben sie überwiegend in den Landeskirchen ihre Heimat. Auch Jürgen Werth ist Mitglied einer Landeskirche, sein Vorgänger Peter Strauch führt dagegen als Präses den Bund Freier evangelischer Gemeinden an.

Den neuen Allianz-Vorsitzenden zeichnet eine ungewöhnliche Vielseitigkeit aus. Jürgen Werth ist Buchautor und Dichter. Sein Versöhnungslied "Wie ein Fest nach langer Trauer" hat es sogar schon ins württembergische Gesangbuch geschafft. Als Moderator von Großveranstaltungen wie der Satellitenevangelisation ProChrist - die hatte 2006 europaweit 1,5 Millionen Zuschauer - begeistert er mit seiner sanften Art und hintergründigem Humor ein Massenpublikum.

Von Hause aus ist Werth aber vor allem Journalist. Nach den ersten Erfahrungen bei der Westfälischen Rundschau, für die er unter anderem aus seiner Heimatstadt Lüdenscheid schrieb, ging er 1973 zum Evangeliums-Rundfunk (ERF) nach Wetzlar. Sein Aufgabenbereich wuchs: Leiter Jugendfunk, Chefredakteur Hörfunk, seit 1994 Direktor dieses mittelständischen christlichen Medienunternehmens mit über 230 Mitarbeitern.

Mit Werth führt erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg ein Nichttheologe die Allianz. An Herausforderungen mangelt es ihr nicht. Seit den sechziger Jahren ist die evangelikale Bewegung in Deutschland erstarkt. Damals sah sie sich innerhalb der EKD von einer liberalen Theologie bedroht, die die Botschaft der Bibel aushöhlte, mit Marxismus und gewalttätigen Widerstandsorganisationen - insbesondere im südlichen Afrika - liebäugelte, straffreie Abtreibungen salonfähig machte, den Islam verharmloste und die neutestamentliche Botschaft von der Errettung des Sünders umfunktionierte in einen unverbindlichen Appell an das Gutmenschentum in allen Religionen.

Nachdem ein Großteil dieser Ideologien zerbröselt ist und sich innerhalb der EKD ein leichter Schwenk zu konservativeren Positionen hin beobachten läßt, haben die Evangelikalen angefangen, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Seitdem nimmt der Richtungsstreit zu: Soll man sich stärker auf sozialem Gebiet engagieren (was auf Kosten missionarischer Anstrengungen gehen könnte)? Soll man pfingstkirchliche Christen besser integrieren? Soll man US-Erfolgsmodelle für den Gemeindeaufbau importieren?

Werth weiß, daß es angesichts dieser Herausforderungen mit ein paar "Worten zum Sonntag" nicht getan ist. Er vertraut mehr auf die Kraft der Gebete - und darauf, daß der Gott, den er als seinen Auftraggeber sieht, mit der Deutschen Evangelischen Allianz noch etwas vorhat.


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