© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/07 5. Januar 2007

Siegerjustiz
von Thorsten Hinz

Zur Sentimentalität lädt Saddam Hussein auch im Tode nicht ein. Gehenkt aber wurde er nicht wegen seiner Massenmorde - die waren bloß der Vorwand -, sondern als Erzfeind der USA. Das Recht, über ihn zu richten, war die Kriegsbeute, die die Amerikaner ihren Marionetten nur treuhänderisch überlassen hatten. Erneut wurde die Justiz zur Magd globaler Machtambitionen erniedrigt. "Alle zehn Jahre sollten die USA ein dreckiges kleines Land packen und an die Wand schmeißen, nur um zu zeigen, daß wir es ernst meinen", hat der Neocon Jonah Goldberg erklärt. Saddams Ende lehrt, daß Feinde der USA ein tödliches Risiko eingehen, wenn sie über keine ausreichende Gegenmacht verfügen.

Wer Prozeß und Urteil verteidigt, müßte konsequenterweise die universelle Geltung seiner Argumente einfordern. Dann aber wären auch George W. Bush und seine "Koalition der Willigen" reif fürs Tribunal. Sie haben einen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen, und das angerichtete Chaos im Irak mit Tausenden Toten ist ebenfalls ein "Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Trotzdem müssen sie nichts befürchten, denn Macht geht allemal vor Recht. Die weltpolitischen Gewichte aber verschieben sich, und vielleicht ist der Tag nicht mehr fern, an dem selbst die USA begreifen, daß es falsch war, die rechtlichen Dämme zur Einhegung des Krieges und der Ansprüche der Sieger zu sprengen. Gleichwohl hüte man sich vor einem eindimensionalen Antiamerikanismus: Einen sanfteren Hegemon als die USA werden wir nie mehr bekommen.


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