© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/06 08. September 2006

"Das Vertrauen verloren"
Der CDU-Politiker René Stadtkewitz überlebte einen Mordversuch, die Bürger seines Bezirks erdulden Drohungen und Verleumdung
Moritz Schwarz

Herr Stadtkewitz, Anfang August sind Sie Opfer eines Brandanschlags geworden. Unbekannte schleuderten einen Molotow-Cocktail in Ihr Schlafzimmer. Zwar ist die Tat bislang nicht aufgeklärt, aber zahlreiche Drohbriefe, die Sie seit April bekommen haben, legen nahe, daß man damit Ihr Engagement gegen einen Moscheebau in Berlin-Pankow (JF berichtete mehrfach) "bestrafen" wollte.

Stadtkewitz: Die anonymen Verfasser drohten, entweder ich gebe meinen Einsatz gegen den Moscheebau in Pankow-Heinersdorf auf und lege obendrein mein Mandat nieder oder es werde "etwas passieren". Zunächst habe ich das nicht ernst genommen, aber als schließlich Briefe kamen mit Photos, etwa von der Schule unseres Sohnes oder vom Grab unseres verstorbenen Kindes und obendrein auf den Bildern Datum und Uhrzeit notiert waren, die verrieten, daß die Aufnahmen nur wenige Minuten, nachdem wir uns dort aufgehalten hatten, gemacht worden waren, wurde uns doch mulmig. Denn es zeigte, daß da nicht nur jemand sein Mütchen kühlen wollte, sondern daß wir offenbar systematisch ausgeforscht und observiert werden. Das war der Punkt, an dem wir zur Polizei gingen.

Niemand wurde verletzt. Ist das der Zurückhaltung der Täter zu verdanken?

Stadtkewitz: Nein, die Täter müßten zwar gesehen haben, daß im attackierten Schlafzimmer niemand war, aber hätten wir im Wohnzimmer den Knall der zerplatzenden Brandflaschen nicht gehört -, etwa wegen eines lauten Fernsehers - hätte der Rauch, der schon aus dem Zimmer drang, unseren zehnjährigen Sohn und ein kleines Mädchen, das zu Besuch war, getötet. Die Feuerwehr hat uns bestätigt: Drei oder vier Minuten später, und die Kinder wären erstickt. Die Erinnerung an diesen Schrecken wird man nicht mehr los.

Erinnern Sie sich noch an die gesellschaftliche Resonanz auf den Fall Potsdam im April?

Stadtkewitz: Natürlich. Was soll ich dazu sagen? Offenbar sind wir auf dem linken Augen eben blind. Zumal noch einige weitere Heinersdorfer Bürger, die sich exponiert gegen den Moscheebau engagieren, ernstzunehmende Drohbriefe bekommen haben. Ich bin froh, daß meine Familie trotz allem hinter mir steht, sonst hätte ich politisch nicht weitermachen können und wollen.

Sie gehen von linken Tätern aus, könnte es sich nicht auch etwa um Moslems handeln?

Stadtkewitz: Solange der Fall nicht aufgeklärt ist, ist natürlich alles möglich. Aber wenn Sie die Stimmung, die von linker Seite gegen mich gemacht wird, kennen, verstehen Sie, warum mein Verdacht klar in diese Richtung geht. Auf diversen Internetseiten wurden meine persönlichen Daten, Lebenslauf, Bilder, Adresse und Mobilnummer quasi steckbriefartig öffentlich gemacht. Ich werde als Verursacher des Konflikt um den Moscheebau markiert und unterstellt, ich habe die Bevölkerung aufgehetzt, öffentlich werde ich als "fremdenfeindlich" und "rechtsradikal" dargestellt.

Ende März drängten in Pankow-Heinersdorf rund 1.500 vor allem moscheebaukritische Bürger zu einer Informationsveranstaltung in einen Saal mit 400 Plätzen.

Stadtkewitz: Das wurde mir angelastet, weil ich in einem Bürgerrundbrief alle Interessierten eingeladen hatte. Ich hatte vor der Veranstaltung mit dem Vorsteher der Bezirksverordnetenversammlung (BVV), Jens Holger Kirchner (B90/Die Grünen), ein Gespräch, in dem ich davor warnte, daß die Mehrheit der BVV mit ihrer positiven Haltung zum Moscheebau die Stimmung bei den Bürgern völlig verfehle und man deshalb mit einem enormen Ansturm rechnen müßte und der gewählte Raum da wohl nicht ausreichen würde. Ich bat, auf eine größere Lokalität auszuweichen oder zumindest Außenlautsprecher aufzustellen, um die Beteiligung für alle interessierten Bürger zu ermöglichen. Als ich Kirchner schließlich auf seine Nachfrage hin erläuterte, was die Pankower bezüglich des Moscheebaus denn so für Bedenken haben, quittierte er das mit der Äußerung, er können den ganzen "rassistischen Scheiß" nicht mehr hören. Auf einmal erschien es, als sei die breite Bürgerbeteiligung etwas Fragwürdiges, politisch Niveauloses. Nach der Veranstaltung waren ähnliche Äußerungen vom Bürgermeister Burghardt Kleinert (PDS) und anderen Vertretern der PDS und SPD zu hören.

Volksvertreter, die ihr Volk nicht leiden können?

Stadtkewitz: Offensichtlich. Wenn die Antifa inzwischen gegen die Pankower Bürger als "rassistischem Mob" wettert, dann hat das für mich seine Vorlage in der herablassenden Art und Weise, die man seitens PDS, SPD und Grünen bezüglich der moscheebaukritischen Bürger pflegt. Schließlich wurde die Informationsveranstaltung abgebrochen, angeblich aus sicherheitstechnischen Gründen auf Initiative der Polizei. Die Bürger aber hatten den Eindruck, die Politik will ihren Beitrag, gerade in dem Moment, in dem sie sich einmal selbst artikulieren, unterbinden. Das hat viele in ihrem demokratischen Urvertrauen tief erschüttert.

Woher kommt diese Haltung der Volksvertreter, die Bürger als Störenfriede, das Volk als Mob zu betrachten?

Stadtkewitz: Mir ist das auch unverständlich. Selbst wenn ich politisch anderer Auffassung wäre als die Mehrheit der Bürger - das wäre ja keine Schande -, muß ich als Politiker die Meinung des Volkes akzeptieren und ernst nehmen, ich darf sie doch nicht bekämpfen. In Pankow haben wir aber erlebt, wie die linke Mehrheit der BVV einfach nicht bereit ist, auf die Bürger zuzugehen, zu fragen was sie drückt, zu erkunden, was sie denken und befürchten. Statt dessen steht man kollektiv auf dem Standpunkt, daß es sich für anständige Demokraten einfach nicht gehört, gegen den Moscheebau zu sein. Unter den linken Politikern der BVV gilt alles andere als "Gartenzaunideologie". Schließlich hieß es sogar, daß eine solche Positionen gegen das Grundgesetz sei.

Man hat das Volk im Verdacht, ein Feind der Verfassung zu sein?

Stadtkewitz: Die Argumentation ist: Das Grundgesetz garantiert Religionsfreiheit, ergo ist es verfassungswidrig, gegen die Moschee zu sein. Daß die Religionsfreiheit nicht von dem Bau dieser Moschee an diesem Standort und in dieser Größe - ein Bau für 1.000 Personen für eine Gemeinde, die 120 erwachsene Mitglieder hat - abhängt, spielt dabei offenbar keine Rolle. Schließlich hat sogar SPD-Innensenator Erhart Körting die Vermutung geäußert, das geplante Bürgerbegehren gegen den Moscheebau "könnte" verfassungswidrig sein. Daraus wurde dann auf der Seite der Moscheebefürworter in der BVV: Das Begehren "ist" verfassungswidrig. So hat man versucht, eine mißliebige Meinung mundtot zu machen und Kritiker einzuschüchtern. Bei dieser Argumentation haben sich viele Bürger schließlich nicht mehr getraut, offen ihre Meinung zu sagen.

Halten Sie diese Volksverachtung für eine Pankower Spezialität?

Stadtkewitz: Die Politik hat sich insgesamt zu weit vom Volk entfernt. Demokratie ist für viele Politiker offenbar eine Sache, die mit dem Volk nichts mehr zu tun hat. Die Politiker meinen besser zu wissen, was "demokratisch" ist. Ich muß da mittlerweile an Bertolt Brecht denken, der bekanntlich einmal ironisch gesagt hat: Wenn das Volk das Vertrauen der Regierung verspielt hat, sollte die Regierung das Volk vielleicht auflösen und ein anderes wählen. So kommt mir das manchmal vor.

Ihnen ist klar, daß Brecht das Verhalten der SED nach dem 17. Juni 1953, also die Verhältnisse in einer Diktatur beschrieben hat?

Stadtkewitz: Das ist das Gefühl, das viele Bürger manchmal haben. Weil ihre Meinung nicht einmal nur ignoriert, sondern ihnen quasi aus der Hand geschlagen und erklärt wird: "Wenn du diese Meinung vertrittst, gehört du nicht mehr dazu, sondern bist ein Extremist und Rassist!" Das hat doch mit einer Demokratie nichts mehr zu tun.

"Demokratie" ist also zu einer Art informellen Ideologie der Politik geworden?

Stadtkewitz: Das ist die Erfahrung, die wir machen. Von 1968 heißt es oft, das Jahr markiere die "innere Demokratisierung" der Bundesrepublik. Für manche Bereiche - alles, was mit Fragen unseres Zusammenlebens zu tun hat, wie Einwanderung, Integration, Multikulti - war es eher der Startschuß einer gesellschaftlichen Entdemokratisierung.

PDS, SPD und Grüne in Pankow haben sich geweigert, der von Ihrer Fraktion geforderten Distanzierung zur Gewalt nach dem Anschlag auf Sie zu folgen. Begründung: Man habe mit der Gewalt nichts zu tun, also müsse man sich auch nicht distanzieren.

Stadtkewitz: Dabei ging es nicht um mich: Es ging um den Gewaltaufruf der sogenannten Antifa. Auf einem Plakat riefen sie zur Demonstration durch Heinersdorf gegen die Gegner des Moscheebauvorhabens auf und erhängten symbolhaft einen Gartenzwerg, der, wie sie sagen, "Gartenzwergkolonie" und meinen damit die Heinersdorfer Bürger.

Also: Das Volk soll gehängt werden?

Stadtkewitz: Soweit es gegen den Moscheebau ist, also die Mehrheit der Bürger in Pankow! Seltsamerweise regt das keinen derjenigen auf, die sonst immer sofort "Volksverhetzung!" schreien, ebensowenig wie die Medien. Deshalb hatte unsere Fraktion eine Sondersitzung zu diesem Antifa-Aufruf durchgesetzt. Ziel war es, von allen Parteien zu verlangen, den Gewaltaufruf zu verurteilen und sich zu distanzieren. Was eben nicht gelang. Statt dessen waren im Publikum Antifa-Mitglieder - manche von ihnen mit der Abbildung eines Molotow-Cocktails auf ihrem T-Shirt - und riefen "Nieder mit Deutschland!", "Deutschland verrecke!" und ähnliches. Davon lasen Sie in der Presse anderntags nichts.

Wie haben die Bürger auf den Auftritt der Antifa reagiert?

Stadtkewitz: Ich wollte mir diese schreckliche Demo Ende August eigentlich ersparen. Man versucht, wie schon bei den Drohbriefen, diese furchtbaren Dinge einfach zu ignorieren. Aber ich erhielt schließlich einen Anruf von Bürgern, die mich baten zu kommen und mir das anzusehen. Als ich eintraf, fand ich verängstige und aufgebrachte Bürger vor, die einen Aufmarsch von etwa 250 jungen Leuten - ich würde sagen linksradikale Jugendliche, von denen aber mehr als die Hälfte noch halbe Kinder waren - beobachteten. Der Zug blieb an jeder Adresse, die für die Bürgerinitiative "Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger", die gegen den Moscheebau kämpft, relevant ist, stehen und es wurde per Lautsprecherwagen verkündet: "Hier wohnt: Vorname, Name, Anschrift und Funktion der Person im Verein." Das war, als ob man an die Häuser Kreuze machen würde, mit der Aufforderung, später wiederzukommen.

Und zuzuschlagen?

Stadtkewitz: Oder Schlimmeres, wie mein Fall zeigt.

Die Polizei schritt nicht ein?

Stadtkewitz: Nein.

Würden Sie von Terrorismus sprechen?

Stadtkewitz: Eher von politischer Gewalt, die aber nicht zu unterschätzen ist.

Finden Sie diese Empfingungen der Bürger in der Berichterstattung der Medien wieder?

Stadtkewitz: Nein, in den Medien wird die Aktion der Antifa überwiegend als legitime Meinungsäußerung dargestellt, nicht als die unverhohlene Drohgebärde, die sie war. Es heißt, die Demonstration sei friedlich verlaufen - von der strukturellen Gewalt, die von ihr ausging, sprechen die Medien nicht. Ich vermute, das liegt daran, daß sich die meisten Medien schon sehr früh auf der Seite der Moscheebaubefürworter positioniert haben. Nur zu gerne haben viele Journalisten vermeintliche oder tatsächliche rechte Sprüche einzelner Moscheebaugegner ins Rampenlicht gezerrt und so die Darstellung der Bürger als "Gartenzwerge", Extremisten und Rassisten unterstützt. Bei Tausenden von Moscheebaugegenern sind natürlich immer auch ein paar Unterbelichtete dabei. Aber so zu tun, als seien diese Leute repräsentativ für die Masse der normalen, durchaus honorigen Bürger, der Ärzte, Rechtsanwälte und Kaufleute, die sich in der Bürgerinitiative engagieren, war eine ganz schlimme Erfahrung für viele. Viele Bürger haben sehr darunter gelitten, daß sie sich in den Medien völlig verzerrt dargestellt gefunden haben. Da wurden Aussagen zerstückelt, verdreht und in anderen Zusammenhang gestellt. Schließlich haben sich viele Bürger zurückgezogen und sind nicht mehr bereit, sich überhaupt noch öffentlich zu äußern.

Obwohl sich PDS, SPD und Grüne nicht auf die CDU-Forderung nach Distanzierung von der Gewalt in Pankow einlassen wollten, hat Ihr Spitzenkandidat Friedbert Pflüger auf Landesebene zeitgleich ein "Bündnis gegen Rechts" mit den linken Parteien geschlossen. Hat Sie Herr Pflüger nicht im Regen stehen lassen?

Stadtkewitz: Das sehe ich nicht so, Friedbert Pflüger hat uns in Pankow besucht und uns seiner Unterstützung versichert.

Hätte er das Bündnis nicht so lange verweigern müssen, wie einem Mitglied seiner Partei und den Pankower Bürgern die gleiche Solidarität auf Bezirksebene verwehrt bleibt?

Stadtkewitz: Pflüger hat mehrfach den Anschlag verurteilt und daran erinnert, daß wir auf dem linken Auge nicht blind sein dürfen. Es ist richtig, sich gegen Rechtsradikalismus zu stellen, aber genauso auch gegen Linksradikalismus. Das Problem sehe ich eher darin, daß wir über Jahre zugelassen haben, daß sich das politische Koordinatensystem unseres Landes immer weiter nach links verschoben hat. Das hat viele auf dem linken Auge blind gemacht. Dazu gehört aber Friedbert Pflüger nicht.

"Wir" schließt auch die Union mit ein, der hier "nach links" am ehesten eine Wächterfunktion obliegt. Also ergibt sich die Frage, hat Ihre Partei versagt?

Stadtkewitz: Ich will eine Mitverantwortung meiner Partei gar nicht in Abrede stellen, sehe das aber vor allem als eine gesamtgesellschaftliche Fehlentwicklung, die ihren Höhepunkt erreichte, als 1998 die Alt-Achtundsechziger mit Rot-Grün die Macht auf Bundesebene erlangten. Sie haben aber recht, wenn Sie die Union daran erinnern, daß sie heute etwas gegen diesen nicht ungefährlichen Mißstand tun muß. Die Union darf die Bürger nicht alleine lassen. Wenn die CDU kein Ohr mehr für die Bürger von der Mitte bis nach rechts hat, dann werden
diese Bürger eines Tages Parteien wählen, die wir alle nicht wollen.

 

René Stadtkewitz ist Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin und Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes Berlin-Pankow. Am 10. August entging Stadtkewitz in seinem Haus nur knapp einem Mordanschlag unbekannter Täter. Seit Monaten erhält der Kommunalpolitiker Drohbriefe vermutlich linksextremer Provenienz wegen seines Engagements gegen einen Moscheebau im Berliner Bezirk Pankow-Heinersdorf, der - von der überregionalen Presse ignoriert - seit Monaten Tausende von Bürgern im Protest auf die Straße treibt. Stadtkewitz wurde 1965 in Ost-Berlin geboren, trat 1995 der CDU bei und ist Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens.

 

Kontakt und Informationen:

CDU Pankow, Stubbenkammerstr. 1, 10437 Berlin, Telefon: 030 / 42 87 481, Internet: www.cdupankow.de 

Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger e.V., Romain-Rolland-Straße 66-68, 13089 Berlin, Internet: www.ipahb.de 

Foto: Pankower Bürger protestieren gegen einen Moscheeneubau: "In unseren Medien völlig verzerrt dargestellt"

 

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