© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/06 07. Juli 2006

"Weltfremde Arroganz"
Sachsen: Linkspartei streitet über Anti-Fahnen-Aufruf / Kritik an der Landtagsabgeordneten Julia Bonk
Paul Leonhard

Ich finde es toll, daß die Deutschen mit Stolz ihre Fahne schwenken." Und dieses großartige Gefühl lasse sie sich auch von Julia Bonk nicht kaputtmachen, schreibt Lilly per E-Mail. Von parteischädigendem Verhalten und Unreife ist die Rede. Ein Genosse fordert gar den Parteiausschluß der 20jährigen Landtagsabgeordneten der Linkspartei. Aber es gibt auch Stimmen, die sich hinter Julia Bonk stellen wie Robert Kern: "Feuer aus den Reihen bekommt Julia doch bloß, weil die 'reifen' Politopas verinnerlicht haben: Man ärgert den teutonischen Wohnzimmerfußballtrainer nicht (Wählerstimmen!)." Im Internetforum der sächsischen Linkspartei ist der Teufel los. Und in der Partei sowieso.

Während Deutschland in einem schwarz-rot-goldenen Fahnenmeer versinkt und die Deutschen wohl erstmals seit der Revolution von 1989/90 wieder begeistert ihre Nationalfarben schwenken, initiierte eine Gruppe der Jungen Linken mit der jüngsten Abgeordneten im Sächsischen Landtag an der Spitze eine Anti-Fahnen-Kampagne: Sie hatten angeboten, jeweils "drei Deutschlandfahnen gegen ein cooles T-Shirt" mit Aufschriften wie "Nazis raus aus den Köpfen" oder "Schöner Leben ohne Nazis" zu tauschen (JF 26/06).

Die deutsche Fahne stehe für eine Ausgrenzung, "für ein Wir-Gefühl gegen die anderen". In Deutschland könne es kein mit anderen Ländern "vergleichbares Verhältnis zum ohnehin fragwürdigen Konzept der Nation geben", heißt es zur Begründung. Die Aktion hat vor allem innerhalb der Linkspartei einen Krach ausgelöst. Landtags-Fraktionschef Peter Porsch kritisierte den "umgekehrten Nationalismus" der 20jährigen. Wer "die Symbole der eigenen Kultur" hasse, könne "auch nicht glaubwürdig gegen Fremdenfeindlichkeit auftreten". Die von Bonk & Co ausgegebene "politische Losung, Fußballfahnen aus dem Verkehr ziehen zu wollen", zeuge von "weltfremder Arroganz". Porsch beeilte sich deutlich zu machen: "Bonk spricht nicht für die Fraktion." Parallel nutzte die Abgeordnete Bettina Simon die "Affäre Bonk", um die Personalpolitik der ungeliebten sächsischen Landesvorsitzenden, Cornelia Ernst, anzugreifen. Der Amoklauf der von Ernst weitgehend kritiklos protegierten Bonk sei "auch die Auswirkung der bisherigen Personalpolitik", bei der "Vorstandsnähe stets größere Bedeutung" gehabt habe als "Basisnähe und Kompetenz". Andere Linkssozialisten monieren, daß "jüngere Genossen ihren Horizont häufig aus dem eigenen Bewegungsumfeld definieren". Es fehle nicht nur an Fachwissen, sondern auch an der Kompetenz, zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem zu unterscheiden. Das Ergebnis sei, daß die Links-Jugend ungestört freidrehen könne und "instinktlose und weltfremde" Kampagnen wie "Schöner leben mit Drogen" initiiere, die am realen Leben der meisten Sachsen vorbeigingen.

In der Tat hat Julia Bonk, wenn sie sich denn in ihrer bisher kurzen politischen Karriere zu Wort meldete, meist für einen Scherbenhaufen gesorgt und vor allem die alten Genossen arg verunsichert. So forderte sie als jugendpolitische Sprecherin ihrer Fraktion unter dem Motto "Rausch ohne Reue" immer wieder mal die Freigabe von Drogen. Und am Internationalen Frauentag erregte sie mit einer Aktion für Gleichstellung Aufmerksamkeit. Sie verteilte Aufkleber "Ab heute oben liegen" an Passantinnen. Auf einer mitgebrachten Campingliege sollte das Motto gleich ausprobiert werden. Man habe es als wichtig empfunden, daß "von links mal ein Einspruch zum allgemeinen Nationalgefühl kommt", begründete Bonk jetzt in einem Interview mit der Tageszeitung Junge Welt ihre jüngste Aktion.

Inzwischen hat sich der Landesvorstand nach einer Sondersitzung offiziell von der Kampagne seines Jugendverbandes distanziert und dabei die Katze aus dem Sack gelassen: Nicht die Aktion an sich wurde moniert, sondern der "gewählte Zeitpunkt". Dieser sei kontraproduktiv, da sich die Aktion augenblicklich "in breiteren Bevölkerungskreisen" nicht vermitteln lasse. Den einstigen Einheitssozialisten sitzt die Angst im Nacken, von den Wählern nicht mehr ernst genommen zu werden und das mühsam aufgebaute Profil als "Partei der sozialen Gerechtigkeit" zu verlieren. "Ich würde gern sehen", so die Abgeordnete Simon, "daß wir im Landtag bleiben."

Auch wenn sich die Nachfrage nach den Antifa-Trikots in Grenzen hält und die Jungen Linken inzwischen eine Fahne gegen ein T-Shirt tauschen, will Julia Bonk die Aktion bis zum Ende der Weltmeisterschaft durchziehen. Was mit den Fahnen dann passieren könnte, haben Jugendliche auf einer von der Linkspartei im ostsächsischen Kreisverband Löbau-Zittau organisierten "Roten Sommersonnenwendfeier" bereits demonstriert: Sie haben die Deutschlandfahne verbrannt.

Foto: Julia Bonk im Landtag (2004): "Balla-Balla-Bonk" (Bild)


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