© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/05 16. Dezember 2005

Die Woche
Merkels schöne Bescherung
Fritz Schenk

Das "O du fröhliche ..." wird Bundeskanzlerin Angela- Merkel in diesen Tagen wohl eher mit verhaltenem Timbre anstimmen. Die Hoffnung aber, daß ihr die Weihnachtszeit und was danach kommt, vielleicht doch noch Gnade bringen wird, sollte sie nicht aufgeben. Denn bei allem Durcheinander, das Politik und Medienlandschaft derzeit überreichlich an Problemen und Pannen anzubieten haben, sollte der Fairneß halber festgestellt werden, daß nichts davon ursächlich auf das Konto Merkel geht.

Ob das Tremolo um die el-Masri-Affäre, Schröders Eskapade mit dem Aufsichtsratsvorsitz im Konzern der europäischen Gaspipeline NEGP, die Schließung des AEG-Werks in Nürnberg und die Freisetzung Tausender von Stellen bei der deutschen Telekom, Ärztestreik und Ankündigung der Krankenkassen über neue Haushaltslöcher und deshalb mögliche Erhöhungen der Beitragszahlungen oder die Unklarheiten über den EU-Haushalt 2007 bis 2013 - das alles, und was sich sonst noch bis zum Jahresende zusammenbraut, geht nicht auf ihr Konto.

Jetzt aber sollte ihr zumindest bewußt geworden sein, auf welch perfide Art sie und alle, die der vorgezogenen Bundestagswahl so überschnell, ja politisch blind, zugestimmt haben, von Gerhard Schröder aufs Kreuz gelegt worden sind. Alles, was da jetzt hochkocht, geht auf Schröders Konto. Und wenn man dem Ex-Kanzler auch vieles nachsagen kann, das eine nicht: nämlich daß er vom Ausmaß seiner Hinterlassenschaft nichts geahnt oder gewußt habe. Sieben Jahre lang hat er mit lockerer Hand eher Hof gehalten als regiert, und als das Desaster offenkundig wurde, verschaffte er sich auch noch einen Abgang mit Glorienschein. Und um das Faß voll zu machen, wird er sich demnächst in der Schweiz auf einem millionenschweren Chefsessel niederlassen. Das ist dann die Position nach Wunsch, Neigung und tatsächlichem Können. Denn dieses großrussische Staatsunternehmen - ausgerechnet auf jenem Sektor, der wegen des schier unstillbaren Energiehungers nicht die geringsten Sorgen um Absatz oder Wirtschaftlichkeit hat - ist für einen "geborenen Repräsentanten" wie Schröder geradezu wie geschaffen, sozusagen maßgeschneidert zugeschnitten.

Selbstverständlich ziert sich der Auserkorene noch ein wenig, hat auch seine Probleme mit den Neidkomplexen der Genossen, denen er ja gerade im Wahlkampf die Noten und Texte dafür geschrieben hat. Aber nachdem andere aus allen Fraktionen und höchsten Positionen das längst vorexerziert hatten, wird sich die Entrüstung bald legen. Und schließlich darf man darauf vertrauen, daß gerade einem Gerhard Schröder schon bald wohlformulierte Begründungen dafür einfallen werden, welchen Nutzen, ja wirtschaftlichen Segen, er gerade auf diesem Posten nicht nur für deutsche, sondern für die gesamteuropäische Energieversorgung stiften kann.

Das wird allerdings noch ein bißchen dauern. Bis dahin dürfen sich die Kanzlerin und ihre Großkoalitionäre mit der Schröderschen Hinterlassenschaft herumplagen und dabei nicht einmal deutlich sagen, wem sie (und vor allem wem wir Deutschen) das alles zu verdanken haben. Gespannt dürfen wir auch sein, ob und wie die Kanzlerin wieder Anschluß an die Fortsetzung der Koalitionsvereinbarung mit jenen Brocken findet, die noch nicht ausgehandelt werden konnten.


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