© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/05 01. Juli 2005

Sieg für die Pressefreiheit
Bundesverfassungsgericht gibt Beschwerde der JF recht!
Dieter Stein

Die Nachricht war ein Paukenschlag. An diesem Dienstag verkündete das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe seine Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde dieser Zeitung gegen das Land Nordrhein-Westfalen. Kurz und bündig titelt die Pressemitteilung des höchsten deutschen Gerichtes: "Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen Aufnahme in Verfassungsschutzbericht".

Die bereits am 24. Mai gefällte, aber erst jetzt der Öffentlichkeit vorgestellte Entscheidung des Ersten Senates unter Leitung des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes, Hans-Jürgen Papier, ist eine schallende Ohrfeige für das NRW-Innenministerium, das seit 1995, also zehn Jahren, die JUNGE FREIHEIT in verfassungswidriger Weise durch Erwähnung im Verfassungsschutzbericht politisch schwer diskriminiert. Eine Ohrfeige letztlich auch für eine politisch-mediale Klasse, die sich zum unkritischen Handlanger des staatlichen Mißbrauchs des Verfassungsschutzes gemacht hat und immer noch macht.

Rückblende: Am 13. April 1995 berichtet der Spiegel exklusiv, der NRW-Innenminister habe die "Beobachtung" der JUNGEN FREIHEIT angeordnet. Im Mai 1995 legt dann Nordrhein-Westfalen den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 1994 vor, in dem erstmals der Vorwurf erhoben wird, es lägen "tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht auf rechtsextremistische Bestrebungen" bei dieser Zeitung vor.

Seitdem hat es das dortige Innenministerium zwar nicht vermocht, diesen Verdacht zu erhärten, die alleinige "Erwähnung" im Verfassungsschutzbericht, der in der modernen deutschen Demokratie in seiner ächtenden Wirkung dem Pranger des Mittelalters gleichkommt, hat ihr Ziel erreicht, die Folgen für ein unabhängiges Medium sind verheerend.

Gebetsmühlenartig wiederholen viele Medien in immer wiederkehrenden Pressekampagnen die Stereotype, die JUNGE FREIHEIT sei so "umstritten", so "besorgniserregend", so "gefährlich", weil sie "vom Verfassungsschutz NRW" wahlweise "beobachtet", "erwähnt" oder "eingeordnet" werde.

Scharenweise sind im Laufe dieser Jahre prominente Interviewpartner abgesprungen, weil diese staatliche Warnung aus Düsseldorf existierte. Autoren zogen Beiträge zurück, Abonnenten schreckten vor dem Bezug der Zeitung zurück, aus Sorge, der Nachbar oder Arbeitgeber könne womöglich mitbekommen, daß man eine von dieser unfehlbaren staatlichen moralischen Instanz namens NRW-Verfassungsschutz als des Extremismus "verdächtigte" Publikation beziehe. Erst in den letzten Monaten sahen sich namhafte JF-Interviewpartner wie die SPD-Politiker Egon Bahr, Peter Glotz oder der ehemalige Verfassungsrichter Ernst Gottfried Mahrenholz unter Berufung auf die Verdächtigungen aus NRW aberwitzigen Vorwürfen ausgesetzt, nur weil sie mit der JF gesprochen hatten!

Nach anfänglichem Zögern und trotz ohnehin größter Sorgen in der Phase des Wochenzeitungsstartes entschloß sich die JF, als kleiner Verlag gegen das 17-Millionen-Einwohner-Land Nordrhein-Westfalen zu klagen. Am 9. August 1996 reichten wir Klage beim Verwaltungsgericht Düsseldorf ein. Das Gericht soll dem Land die weitere Verleumdung der Zeitung untersagen, sowie es dazu verurteilen, es zu unterlassen, die JUNGE FREIHEIT in Zusammenhang mit extremistischen Bestrebungen zu bringen.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf fällte am 14. Februar 1997 ein Urteil, das NRW in seiner Haltung bestätigte. Das Urteil war insofern aber interessant, weil dort festgehalten wurde, daß das Land die JF ausdrücklich nicht als "rechtsextremistisch" einordne, sondern lediglich "tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht auf rechtsextremistische Bestrebungen" artikuliere. Ein gravierender Unterschied, den 90 Prozent der Journalisten borniert ignorierten und - von Presserechtsentscheidungen gedeckt - stets verkürzend behaupteten, die JF werde vom NRW-Verfassungsschutz als rechtsextrem im Sinne einer endgültigen Feststellung eingeordnet.

Der von der JF am 17. April 1997 gestellte Antrag auf Berufung gegen das Urteil des VG Düsseldorf wurde nach geschlagenen vier Jahren am 22. Mai 2001, abgelehnt. Während dieser Phase faktischer Prozeßverschleppung trafen die Folgen der Diskriminierung die JF gleich serienweise. Einer der Höhepunkte war die Kündigung des Hauptgeschäftskontos der JF durch die Deutsche Postbank am 5. Januar 2001. Die Postbank begründete ihre Kündigung im Rahmen des von der Bundesregierung angezettelten "Kampfes gegen Rechts" ausdrücklich mit der Erwähnung der JF im NRW-Verfassungsschutzbericht! Erst nachdem ein "Appell für die Pressefreiheit" mit zahlreichen Prominenten, an der Spitze Focus-Herausgeber Helmut Markwort, die Postbank zur Rücknahme der Kündigung aufforderte, nahm die Bank ihre Entscheidung zurück.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes bedeutet einen riesigen Triumph nicht nur für die JUNGE FREIHEIT, sondern für die Pressefreiheit insgesamt in Deutschland. Die Machtarroganz des NRW-Verfassungsschutzes, der als verfassungswidriges Kampfinstrument der 39 Jahre lang regierenden SPD mißbraucht worden ist, stellt nur die Spitze des Eisberges einer die demokratische freiheitliche Gesellschaft in unverschämter und unerträglicher Weise domestizierende Political Correctness dar. Karlsruhe hat hier einen bitter notwendigen Warnschuß abgegeben.

Das vollständige Urteil des Bundesverfassungsgerichtes finden Sie auf Seite 4-5.


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