© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/02 04. Oktober 2002


Petra Pau
Der rote Muck
von Doris Neujahr

In den wilden Neunzigern trauten feinsinnige Westjournalisten der PDS-Politikerin Petra Pau zu, den verspießerten Gesellschaftsvertrag der BRD durcheinanderzuwirbeln. Damals zeigten die Wahlplakate eine junge Frau mit rotem Mecki-Schnitt, lustigen Sommersprossen und Kulleraugen, eine leibhaftige Pippi Langstrumpf, die Helmut Kohl und den griesgrämigen SED-Altlasten gleichermaßen auf der Nase herumtanzte. In diesem Sommer blickte Petra Pau selbst griesgrämig drein. Sie war so unvorsichtig gewesen, einen Fotografen in ihre Wohnung einzulassen, der dort statt revolutionärer Accessoires eine Schrankwand aus dem Quelle-Neckermann-Milieu entdeckte. Das Foto machte die Runde, und aus war's mit dem Pippi-Image.

Petra Pau, Jahrgang 1963, hat in der DDR den Beruf der Pionierleiterin erlernt. Als hauptamtliche Angestellte der staatlichen Kinderorganisation veranstaltete sie Klassendiscos und Sportfeste an einer Berliner Schule. Vor allem kümmmerte sie sich um die ideologische Belehrung der Kleinen und erzählte ihnen drollige Geschichten über den kommenden Weltsieg des Sozialismus. Das ließ sich in den tristen achtziger Jahren schon nicht mehr mit fehlgeleitetem Idealismus erklären. Man mußte dazu entweder ausgesprochen zynisch oder beschränkt sein. Zynismus wird Petra Pau nicht einmal von Gegnern unterstellt.

Sie verfügt über andere Qualitäten. 1988 verließ sie die Parteihochschule "Karl Marx" als "Diplom-Gesellschaftswissenschaftlerin". Das Diplom besagt, daß Pau das Leninsche Prinzip des "demokratischen Zentralismus" studiert hat und genau weiß, wann man um der höheren Sache willen parieren muß und wie man andere zum Parieren bringt. Mit 25 Jahren wurde sie Berufspolitikerin im Zentralrat der FDJ. Nach 1989 setzte sie die Karriere unter anderem als PDS-Landeschefin, als Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, als Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Parteivorsitzende bruchlos fort.

Petra Pau steht zu ihrer Prägung, wobei sie sich inzwischen die progressive, politisch korrekte Terminologie der Westlinken angeeignet hat. Sie war für den Erhalt des Palastes der Republik, weil man Geschichte "nicht verdrängen" dürfe und schlug sich für die "Würde der Ostdeutschen" in die Bresche, wenn sie die "Strafrente" für SED-Altkader meinte. Das reichte aus, um 1998 das Direktmandat gegen Wolfgang Thierse zu gewinnen und für das Amt der Berliner Bildungssenatorin ins Gespräch gebracht zu werden. Gerade war die PDS auf gutem Wege, die Pioniernachmittage an DDR-Schulen als vorbildliche Ganztagsbetreuung zu verkaufen, da überraschte sie die Wahlpleite!

Petra Pau schaffte die Ausnahme und holte in der Plattenbausiedlung Berlin-Hellersdorf das Direktmandat. Jetzt ist sie als Nachfolgerin der blassen PDS-Vorsitzenden Gabi Zimmer im Gespräch. Doch Spießer-Pippi hat ein Problem: Über ihre Späße lachen fast nur noch alte Leute.


 
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