© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52/01 01/02 21. Dezember / 28. Dezember 2001


Blick in die Medien
Arbeitslust
Ronald Gläser

Wir Deutschen gelten mitunter als ein pessimistisches Völkchen. Das fängt bei der Begrüßung und der Frage nach dem individuellen Wohlergehen an. Die Antwort „Kann nicht klagen!“ ist an Defätismus nicht zu übertreffen. Die Arbeitslosigkeit steigt. Die Steuern steigen. Die Zahl der Pleiten steigt. Und im selben Maße sinkt die Zuversicht für unsere Volkswirtschaft. Die Initiative „Deutschland packt’s an“ will diese fatalistische Stimmung jetzt durch eine Prise Enthusiasmus therapieren. Angeführt vom n-tv Chef Karl-Ulrich Kuhlo und Lothar Späth wollen die Initiatoren zu Unternehmermut und Engagement aufrütteln. Eltern sollen die Leistungsbereitschaft ihrer Kinder fördern und Verbraucher ihre Zukunftsängste beiseite legen. Das Multitalent Lothar Späth will mit seinem Appell die Ansicht widerlegen, bei uns reiche „es nur noch bis zum Friedhof“. An der Kampagne, mit der der Verein wirbt, haben Werbeagenturen mit Rang und Namen mitgewirkt. Auf 20.000 Plakaten, in Zeitungsanzeigen und in Fernsehspots mit Millionenwert wird Arbeitslust propagiert. Den heute 30jährigen steht ein Dejavu mit Geier Sturzflug bevor. Diese Band sang Anfang der achtziger Jahre hyperoptimistisch „Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt - wir steigern das Bruttosozialprodukt!“ Die Gruppe landete einen Riesenerfolg in den Hitparaden, aber sie fiel sofort in die typisch deutsche Befindlichkeit zurück. Denn ihr nächstes Lied lautete: „Besuchen Sie Europa - solange es noch steht“.


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