© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52/01 01/02 21. Dezember / 28. Dezember 2001

 
CDU diskutiert die Frage aller Fragen
Fritz Schenk

Nicht einmal eine Woche hat die Hochstimmung des Dresdener CDU-Parteitages angehalten. Schlimmer noch: Noch während die Delegierten den Eindruck gewonnen hatten, die CDU-Vorsitzende Angela Merkel habe „den Laden wieder auf Vordermann“ gebracht, kungelten Provinzfürsten in den Wandelgängen über Seilschaften, mit denen sie die Entscheidung über die Spitzenkandidatur an der Vorsitzenden vorbei auf ihre Weise regeln, vor allem beschleunigen wollten. Mit Pressevertretern führten sie „vertrauliche“ Gespräche, um sie in das Ränkespiel einzubinden. Ob es nun Naivität oder böser Wille war (man darf und muß wohl eher das zweite vermuten), sie müssen die Verantwortung dafür auf sich nehmen, daß sie die Union insgesamt auf die Personalfrage zurück- und von den Sachfragen weggeführt haben. Die Zeitungen quollen über mit dem, was die Korrespondenten an personellem Honigklatsch aus den „Vertraulichkeiten“ saugen konnten.

Es muß verwundern, warum es der Union so schwer fällt, aus politischen Vergleichsfällen Schlußfolgerungen zu ziehen. Die SPD hat sich immerhin in den sechzehn „Kohl“-Jahren mit demselben Problem herumgeschlagen. Mit Rau, Vogel, Engholm, Scharping und Lafontaine glaubte sie, dem damaligen Kanzler ein „Zugpferd“ entgegenstellen zu müssen, das kraft seiner Ausstrahlung und Öffentlichkeitswirksamkeit den Turm zum Einsturz bringt. Doch sie scheiterten an den politischen Gegebenheiten, weil die Wählermehrheiten der Union und FDP eher die Lösung der Probleme zutrauten als den Sozialdemokraten. Erst als die letzte Kohl-Regierung angesichts der rot-grünen Blockademehrheit im Bundesrat praktisch regierungsunfähig geworden war, kippte die Stimmung.

Nimmt man die Meinungsumfragen ernst, dann besteht das Haupthindernis für die Union noch immer darin, daß sie ihre Vormachtstellung bei der Wirtschafts- und Sozialkompetenz noch nicht wieder zurückerobert hat. Die Personendebatte, das hat die vergangene Woche hingegen wieder gezeigt, nutzt nur dem Regierungslager und ganz besonders dem Kanzler.


 
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