© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    51/01 14. Dezember 2001

 
Einzig wahrer Schurkenstaat
Noam Chomskys USA-Kritik
Matthias Bäkermann

Man ist geneigt, die Intensität seines Hasses, der über Jahrzehnte lebendig geblieben ist und sich mit manischer Beharrlichkeit gegen die eigene Nation richtet, psychologisch zu erklären. Bei Noam Chomsky böte sich da sein Geburtstag an, der 7. Dezember: Das ist der „Tag von Pearl Harbor“, so daß ihm die Verwicklung der US-Politik in die Welthändel 1941 ausgerechnet seine 13. Geburtstagsfeier gründlich versaut haben dürfte. Seitdem ist jedenfalls das wichtigste Datum in der Biographie des New Yorker Sprachwissenschaftlers untrennbar mit der Geschichte des „amerikanischen Jahrhunderts“ verknüpft, die Chomsky ausschließlich als eine grandiose, vom US-„Reich des Bösen“ geprägte Unheilsgeschichte wahrnimmt.

In seinem jüngsten Essay präsentiert Chomsky die USA wahlweise als einzig wahren „Schurkenstaat“, oder als „gewalttätigen Verbrecherstaat“, der sich mit seinen beiden treuen Spießgesellen, Großbritannien und Israel, wahrhaft souverän über die internationale Rechtsordnung hinwegsetze. An historischen Belegen für diese These bleibt Chomsky nichts schuldig. Er erinnert an die völkermörderischen Anfänge der imperialistischen Expansion vor hundert Jahren, als Washington in Kuba und auf den Philippinen die Reste des spanischen Weltreichs an sich riß. Schon hier habe sich das Grundmuster aller folgenden Interventionen herausgebildet: Jeden militärischen US-Ausgriff vor der „Weltöffentlichkeit“ als „Selbstverteidigung“ in „humanitärer“ Absicht auszugeben. Das vor dem 11. September in den USA veröffentlichte Werk widmet sich jedoch nicht nur der historischen Rekonstruktion, die sich bei Chomsky - besonders zu den Themen Vietnam und Kuba - wie eine Abrechnung liest. In den Vordergrund rücken vor allem die aktuellen US-Verstrickungen im Nahen und Mittleren Osten, sowie, im Anschluß an ein im letzten Jahr in deutscher Übersetzung publiziertes Werk, die Kritik des Neoliberalismus und der globalen Weltunordnung. Was er dazu ausbreitet, gibt Anlaß, den Afghanistan-Krieg nur als Auftakt zu schärferen Konflikten zu begreifen.

Noam Chomsky: War against people. Menschenrechte und Schurkenstaaten. Europa Verlag, Hamburg 2001, 160 Seiten, 24,50 Mark


 
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