© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    50/01 07. Dezember 2001

 
PRO&CONTRA
Embryonale Stammzellen importieren?
Ernst-Ludwig Winnacker / Johanna Gräfin von Westphalen

Es soll nur an Stammzell-Linien aus sogenannten
überzähligen Embryonen geforscht werden. Diese entstehen bei der künstlichen Befruchtung aus Gründen, die die Mutter oder die jeweiligen Partner zu verantworten haben. Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Gesetzgeber, der seinerzeit die künstliche Befruchtung zuließ, nicht daran gedacht hat, daß werdende Mütter sterben oder Paare sich trennen können, und sich dann nicht mehr für ihre tiefgefrorenen Embryonen interessieren. Er hat also bereits mit der Einführung der künstlichen Befruchtung den Kinderwunsch höher angesetzt als das Lebensrecht dieser verwaisten Embryonen. Es muß daher erlaubt sein zu fragen, ob eine solche Güterabwägung dann nicht auch zwischen dem Lebensrecht solcher Embryonen und dem Interesse der Gesellschaft an der Entwicklung von besseren Zelltherapien vollzogen werden kann.

Auch die Frage nach der Einhaltung der Grenzen und der eines möglichen Dammbruchs hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft in ihren Empfehlungen beschäftigt. In diesen Empfehlungen sind nachdrückliche Verbote des reproduktiven Klonens, des therapeutischen Klonens, der Keimbahntherapie und der Chimärenbildung ausgesprochen worden. Es gibt immer wieder Ankündungen, in Deutschland und anderswo, ebensolche Versuche dennoch durchführen zu wollen. Warum also sollte man einen solchen Klon herstellen? Was die demokratischen Institutionen angeht, so haben sie es durchaus in der Hand, Wege und Richtung der Forschung aufzuzeigen. Das gültige Embryonenschutzgesetz ist hierfür ein eindrücklicher Zeuge.

Die DFG, die sich im Zugzwang befindet, setzt darauf, daß der Gesetzgeber, dem die Sachverhalte und Zeitabläufe bekannt sind, und der letztendlich die Maßstäbe zu setzen hat, nun auch die DFG nicht im Stich läßt.

 

Prof. Dr. Ernst-Ludwig Winnacker ist Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft e. V. (DFG) in Bonn.

 

 

Allein die Tatsache, daß bei der Forschung an embryonalen Stammzellen jeweils ganz konkret einem menschlichen Individuum das Recht auf sein eigenes Leben genommen wird, ist schon schlimm genug. Daß nun aber auch darüber diskutiert wird, angesichts der traurigen deutschen Geschichte ausgerechnet aus Israel embryonale Stammzellen zu importieren, ist mehr als makaber. Schon zur Zeit der Nationalsozialisten wurde unter dem Deckmantel der Forschungsfreiheit menschli­ches Leben zerstört. Vielleicht müssen auch wir uns einmal von unseren Enkeln fragen lassen: „Was habt ihr damals dagegen unternommen?“

Wir dürfen uns auch nicht der Illusion hingeben, es wäre ausreichend, einige Stammzell-Linien aus dem Ausland zu importieren. Bereits jetzt führen Wissenschaftler, wie z.B. der Neuropathologe Oliver Brüstle an, daß die Qualität der vorhande­nen Stammzell-Linien vermutlich nicht den Anforderungen entsprechen würde. Der ständig steigende Bedarf wird unweigerlich zu einer eigenen „Embryonenproduktion“ in Deutschland führen. Es wäre nur schwer zu vermitteln, warum im Ausland für Deutschland Embryonen getötet werden dürften, dies in Deutschland dagegen verboten sein sollte.

Zudem wird es in Zukunft immer schwerer werden, Grenzen zu setzen. Wie sollte man verhindern, daß Forschungsergebnisse in die Praxis umgesetzt werden - wieder mit steigendem Bedarf an „Embryonen-Rohstoff“? Um mögliche Abstoßungsreaktionen bei der Stammzell-Therapie zu vermeiden, wird dann die nächste Tür aufgestoßen: die zum therapeutischen Klonen. Und wer sollte dann noch Forscher daran hindern, sich mit dem reproduktiven Klonen zu beschäftigen?

Wenn wir uns jetzt nicht konsequent gegen jegliche Manipulation an menschlichen Embryo­nen einsetzen, wird es bald zu spät sein.

 

Johanna Gräfin von Westphalen ist Bundesvorsitzende der Christdemokraten für das Leben (CDL).


 
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