© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/01 09. November 2001

 
Frisch gepreßt

Dichter in der NS-Zeit. Die Verbindung von „Erkenntnis und Interesse“ (Habermas) wird mitunter auf liebenswert triviale Weise gestiftet. So ist die holsteinische Kleinstadt Eutin für den kanadischen, in Halifax lehrenden Historiker Lawrence D. Stokes auch deshalb Gegenstand mikroanalytischer Studien, weil er sich vor über zwanzig Jahren für die Heimat seiner Frau, die aus dem einstigen „Weimar des Nordens“ stammt, zu interessieren begann. Seitdem hält ihn Eutin in Bann. Nun legt er eine gründliche Organisationsgeschichte des „Eutiner Dichterkreises“ vor, der sich 1936 konstituierte und wo sich neben vielen außerhalb der Provinz kaum bekannten „Heimatdichtern“ auch mehrere Auflagenmillionäre von nationalem Rang einfanden: etwa Gustav Frenssen, Hans Friedrich Blunck und Edwin Erich Dwinger. Stokes untersucht das kulturpolitische Engagement der Mitglieder des Kreises und geht, leider manchmal ohne die notwendige literaturwissenschaftliche Kompetenz, auf den ideologischen Gehalt ihrer im Zeichen der „volkhaften Dichtung“ produzierten Texte ein (Der Eutiner Dichterkreis und der Nationalsozialismus 1936 bis 1945. Eine Dokumentation, Wachholtz Verlag, Neumünster 2001, 480 Seiten, 70 Mark).

Seekrieger. Im Freiburger Militärarchiv scheint es Praxis zu werden, daß sich die Behördenspitze von den Projekten, die Mitarbeiter im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit beginnen, dann öffentlich distanziert, wenn die Publikationsreife erreicht ist. So ergeht es dem Biographen General Heusingers, Georg Meyer (JF 19/01), und auch Gerhard Granier, dem pensionierten Direktor des Archivs, bleibt diese peinliche Prozedur nicht erspart. Als Herausgeber der Reihe, in der Graniers auf vier Bände angelegte, eine bislang schmerzliche Forschungslücke schließende Dokumentation über die deutsche Seekriegsleitung zwischen 1914 und 1918 erscheint, meint der ehemalige Präsident des Bundesarchivs, daß Granier die Rahmenbedingungen der Marinepolitik, vor allem die Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs, nicht adäquat erfasse und die von der „Fischer-Kontroverse“ ausgelösten vier Jahrzehnte Weltkriegsforschung ignoriere (Die deutsche Seekriegsleitung im Ersten Weltkrieg. Eine Dokumentation, bisher 2 Bände, Selbstverlag des Bundesarchivs, Koblenz 2000, 454 und 356 Seiten, zusammen 58 Mark).


 
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