© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/01 09. November 2001 |
||||
Zivilcourage ohne Entrüstung Abseits der Medienhysterie: Der Soziologe Erwin K. Scheuch ist mit dem Baltasar Gracián Preis ausgezeichnet worden Baal Müller Die von Caspar Freiherr von Schrenck-Notzing begründete Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung (FKBF) hat am 3. November - erstmals nach einer Pause von 16 Jahren - den Baltasar Gracián Kulturpreis vergeben. Ausgezeichnet wurde der Kölner Soziologe Erwin K. Scheuch. Scheuch, der vor allem als Kritiker parteipolitischer Korruption bekannt geworden ist, wird damit sowohl für sein wissenschaftliches Werk als auch für seinen Mut, mit dem er der veröffentlichten Meinung stets die Stirn geboten hat, ausgezeichnet. Den Festvortrag über Kultur, Bildung und Wissenschaft im geteilten Deutschland 1945 bis 1990 - Rückblick und Ausblick hielt Frank Lothar Kroll, der an der Universität Chemnitz Geschichte lehrt, vor rund 100 geladenen Gästen in der Palaishalle des Hotels Bayerischer Hof. Er skizzierte, wie die DDR-Führung die Schaffung einer proletarischen Nationalkultur erstrebte, während man in der Bundesrepublik an die bald von der Reeducation überlagerten Traditionen der Vorkriegszeit anzuknüpfen suchte. Den Achtundsechzigern komme dabei nach Kroll kein innovatives Moment zu; sie hätten lediglich bereits vorhandene Tendenzen radikalisiert und ideologisiert. In der anschließenden Laudatio auf den Preisträger schilderte der Züricher Philosoph Hermann Lübbe eindrucksvoll, wie Scheuch durch seine Lehr- und Forschungstätigkeit in Harvard, Paris und Köln, als Forschungsmanager und Autor von mehreren hundert Publikationen, den von vielen nur noch zu polemischen Zwecken verwendeten Konservatismusbegriff inhaltlich gefüllt habe, wobei er neben Scheuchs Zivilcourage und seiner Orientierung am oft vernachlässigten common sense vor allem den von der Frankfurter Schule als affirmativ und positivistisch gescholtenen Realitätsbezug von Scheuchs Kölner Schule hervorhob. Schließlich attestierte Lübbe dem laudatus eine aus persönlicher Heiterkeit gespeiste Entrüstungsabstinenz, die sich wohltuend von der Hysterie des Medienbetriebs abhebe. |