© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/01 09. November 2001

 
BLICK NACH OSTEN
Unerhörtes zu Allerheiligen
Carl Gustaf Ströhm

Es gibt Nachrichten, die keine Nachrichten sein dürfen - weil sie nicht in vorgefaßte Klischees passen. Dazu gehört das diesjährige Allerheiligen in der kroatischen Hauptstadt Zagreb. Auf dem Friedhof Mirogoj zogen Hunderttausende Kroaten am Grabe ihres im Westen und bei den Linken verfemten ersten Präsidenten Franjo Tudjman vorbei. Zehntausende Grablichter wurden im Andenken an den vor zwei Jahren verstorbenen Staatsgründer entzündet. Einfache Landfrauen mit Kopftuch neben Damen im Pelz - dazu sehr viel junges Volk: Alle hielten am Grab inne und bekreuzigten sich. „Was immer die Medien über Tudjman schreiben - das Volk liebt ihn“, so ein Augenzeuge.

Bemerkenswert ist, daß die katholische Kirche, die in Kroatien 95 Prozent der Bevölkerung repräsentiert (natürlich muß man die vom Kommunismus „vererbten“ Atheisten abziehen) nun sehr kritische Töne gegenüber der seit fast zwei Jahren herrschenden Linksregierung anschlägt. In einem Interview der Kirchenzeitung Glas koncila kritisierte der Zagreber Erzbischof Josip Bozanic, daß das Kabinett des Ex-Kommunisten Ivica Racan die Durchführung des noch von der Tudjman-Regierung geschlossenen Konkordats hinauszögere.

Über die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Vier-Parteien-Koalition fällte der Oberhirte ein vernichtendes Urteil: „Unsere Gesellschaft wird in diesem Augenblick von schweren sozialen Problemen heimgesucht, welche die Bürger unseres Landes treffen. Viele Arbeiter erhalten für ihre Arbeit einen Lohn, der für sie und ihre Familien zum Leben nicht ausreicht. Die Rentner leben immer schlechter. Kriegsteilnehmer und Kriegsversehrte zittern um ihre Rechte. Die Arbeitslosenquote verringert sich nicht. Die Jungen verlassen das Vaterland. Den jungen Müttern und den Familien mit Kindern wird die Hilfe verringert. Gesundheitliche Fürsorge wird vielleicht bald ein Privileg von nur wenigen sein und das demographische Problem erreicht erschreckende Ausmaße.“ Die Reformen der jetzigen Regierung „unterhöhlen die grundlegenden Fundamente des Sozialstaates.“ Solche Worte an die Adresse einer Regierung gerichtet, deren Hauptkraft SDP sich als „sozial-demokratisch“ bezeichnet, haben es jedenfalls in sich.

In der gleichen Ausgabe von Glas koncila wehrt sich der Leitartikeler gegen die Angriffe der „kryptokommunistischen Linken“ auf die Bischöfe: „Die katholische Kirche in Kroatien wäre wahrscheinlich nur dann akzeptabel und gut, wenn sie sich vollkommen unkritisch und liebedienerisch verhalten oder ganz von der politischen Bühne verschwinden würde“.

Glas koncila berichtete unter der Überschrift „Erinnerung an die ermordeten Kroaten - die Märtyrer von Maribor“ auch über eine Messe, die am 14. Oktober im slowenischen Marburg an der Drau (Maribor) im Gedenken an die von den Briten 1945 an Tito ausgelieferten Kroaten abgehalten wurde. Die Gläubigen hätten aus diesem Anlaß nicht nur für die Opfer, sondern auch für die Täter gebetet: „Nach dem heimtückischen britischen Verrat bei Bleiburg sind den Partisanen Hunderttausende kroatischer Soldaten und Zivilisten in die Hände gefallen. Der Haß, von dem sie (die Partisanen) besessen waren, hat sie zu furchtbaren Verbrechen angestachelt. Seit dem Fall des Kommunismus berichten die Zeitungen jedes Jahr, daß irgendwo neue Massengräber entdeckt wurden.“

Auch heute seien die Kommunisten nicht bereit, die Verantwortlichen zu nennen: „Sie decken alles mit dem Schlagwort Antifaschismus zu - obwohl die Lüge offenkundig ist.“


 
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