© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/01 09. November 2001

 
Ein Freudenmal
„Wir sind ein Volk“: Aufruf von Baldur Springmann
Baldur Springmann

Einigkeit und Recht und Freiheit“ singen wir nur noch sehr selten, wenn wir uns zu gegebenem Anlaß gegenseitig unsere Deutschlandliebe versichern wollen. Es war der 9. November 1999, als ich vor einem kleinen Häufchen Deutschlandliebender, die zum zehnjährigen Gedenken an eines der freudigsten und bedeutendsten Ereignisse der deutschen und der europäischen Geschichte zusammengekommen waren, einige Gedanken, unter anderem auch über „Einigkeit“ vorgetragen habe. Dabei habe ich mich und die Weggefährten daran erinnert, wie die am Lübecker Holstentor in goldenen Buchstaben geforderte „Concordia“ eigentlich wörtlich zu übersetzen wäre, nämlich als „Zusammen-Herzigkeit“.

Genau diese Zusammenherzigkeit war es doch, die wie ein lange ersticktes Feuer in ganz Deutschland aufflammte, als die Mitteldeutschen im November 1989 mit der Parole „Wir sind ein Volk“ auf die Straße gingen. Und wenn man die Begeisterung, die so etwas in einem liebenden Herzen wecken kann, zuläßt, dann kann daraus etwas Geistiges, nämlich eine Idee entstehen. Und das ist dann im wahren Sinne des Wortes ein Ein-fall, also überhaupt nicht etwas irgendwie Selbstgemachtes, für das man sich etwa eine Feder an den Hut stecken könnte. Man kann nur dankbar sein, so etwas Schönes aus dem Reich der Ideen geschenkt bekommen zu haben und sich wundern, wieso man nicht schon längst auf diesen Gedanken gekommen ist, weil es doch etwas ganz Selbstverständliches ist, was sonnenklar „in der Luft liegt“.

Und eine sonnenklare Selbstverständlichkeit ist es doch, daß wir Deutschen als Zeichen unseres, im Grunde unserer Volksseele nach wie vor glimmenden Wunsches nach Zusammenherzigkeit, als Zeichen unserer Liebe zu Volk und Vaterland ein Denkmal brauchen, - ein Freudenmal und Erinnerungsmal an die Sternenstunde 1989, als Liebe und Begeisterung alle Fesseln sprengten, alle Schlagbäume und Herzen öffneten.

Ja, ein weithin sichtbares Zeichen dafür brauchen wir, daß von dem Feuer der damaligen Begeisterung eine stille Glut erhalten geblieben ist - unser unverlöschlicher Wille zur Eintracht wenigstens in dem einem Punkt, daß nicht Haß sondern Liebe die Grundstimmung unseres Volkstums und des von ihm getragenen Staatswesens sein soll. Ja, ein solches Erinnerungs- und Freudenmal brauchen wir, das ist sonnenklar! Und wo könnte dieses Lichtzeichen sinnvoller erstrahlen, als inmitten unserer Hauptstadt, natürlich genau da, am Brandenburger Tor, wo zuerst die von ideologisch verkrampften Machthabern errichtete Mauer zusammenbrach.

Einen schönen Entwurf für solch ein Denkmal gibt es auch schon. Ein die Ebertstraße überspannender, hochgeschwungener Bogen, auf der einen Seite im ehemaligen „Ostsektor“ fußend, andererseits im „Westsektor“, mit den Aufschriften „Wir sind ein Volk“ und „November 1989“. Und das bedeutet keine Konfrontation zu dem in unmittelbarer Nähe entstehenden Holocaust-Mahnmal, sondern einzig und allein die dringend notwendige Ergänzung. Denn man braucht keine Psychologie studiert zu haben, um sich darüber im Klaren zu sein, wie es sich auf die Seelen junger Menschen auswirken muß, wenn sie einseitig mit einer Inflation von Erinnerungen an das Negative unserer Vergangenheit überflutet werden, verbunden mit der nachdrücklichen Mahnung, dies nicht zu vergessen.

Darum wünsche ich mir oben auf diesem Ost und West verbindenden Bogen noch eine Schale, aus der ständig ein Feuer himmelan lodert als Zeichen nicht nur für die Freude über diesen Höhepunkt deutscher Geschichte sondern auch als Mahnung, daß nicht Haß, nicht Konfrontation aus unserer noch so gebrechlichen Einigkeit eine wirkliche Zusammenherzigkeit machen kann - schon gar nicht ein obrigkeitlich angeordneter Kampf gegen was auch immer, von dem wir uns nicht zum Gegenkampf gegen irgend etwas herausfordern lassen, sondern einzig unser Kampf für eine in Liebe zu ihrem Volkstum geeinte Nation, für ein solches Volk, von dem zu recht alle Staatsgewalt dann auch wirklich ausgehen kann.

Das Schönste an dieser Idee ist aber die Vorstellung, daß durch sie die heute in vielen Herzen unter allem möglichen Kram verschüttete Deutschlandliebe aus ihrem Schlummer geweckt wird, und daß dann aus dem Volk selbst, von uns selbst die Mittel aufgebracht werden unter bewußtem Verzicht auf alle Staatsknete, - daß alle Deutschlandliebenden dereinst zu recht sagen können: „Das ist unser Freudenmal!“

 

Baldur Springmann, 1912 in Hagen geboren, bewirtschaftet als Bio-Bauer seinen Hof in Mecklenburg-Vorpommern. Er war Mitbegründer der Grünen und ist seit 1991 Mitglied der Unabhängigen Ökologen Deutschlands. Außerdem engagiert er sich in der Deutschen Aufbau-Organisation von Alfred Mechtersheimer.


 
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