© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/01 02. November 2001

 
WIRTSCHAFT
Lohnvisionen und Kaufkraftwahn
Bernd-Thomas Ramb

Die Gewerkschaften klopfen auf die Schilder. Sie fordern hö-here Löhne in den bevorstehenden Tarifkämpfen. Diesmal will man hart bleiben. Die moderaten Abschlüsse des letzten Jahres wolle man nicht wiederholen, da sie weder zu Überstundenabbau noch zu mehr Arbeitsplätzen geführt hätten. Noch gewagter werden die Lohnerhöhungsgründe, wenn die Kaufkraft ins Spiel gebracht wird: Man müsse die Löhne erhöhen, um über die Stärkung der „Massenkaufkraft“ die Konjunkturwende herbeizuführen.

Richtig ist, daß der Lohnerhöhungsumfang des letztem Jahres nicht ausgereicht hat, das Arbeitsangebot auszuweiten. Die Lohnbelastungen der Unternehmen sind immer noch zu hoch. Das liegt aber nicht nur an der Höhe der Nettolöhne, sondern mehr noch an der staatlich verordneten Abgabenlast. Solange der Staat nicht seine Begierde zügelt, bleibt der Lohnerhöhungsspielraum eingeengt. Grotesk ist dagegen das Kaufkraftargument. Warum soll nur die Kaufkraft von Lohnempfängern zur Konjunktursteigerung erhöht werden? Warum nicht auch die von Rentnern - oder die von Verluste schreibenden Kleinunternehmern? Wie wär’s, wenn der Staat monatlich ein „Kaufkraftgeld“ an jeden Bürger auszahlt?


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen