© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/01 02. November 2001

 
Politisch heimatlos
Keine Partei vertritt die rechtsstaatlich Benachteiligten
Peter Langreuter

Sorgenvoll hat dieser Tage der stellvertretende Unionsvorsitzende Christian Wulff die Gefahr eines Zerfalls der CDU als Volkspartei der Mitte angedeutet. In der Tat: Nicht nur für die Partei, die einst über Persönlichkeiten wie Adenauer, Erhard, Hallstein und andere verfügte, ist die Lage ernst. Die Mehrzahl der dem Grundgesetz verpflichteten Bürger der Mitte sind schon politisch heimatlos oder im Begriff, dies zu werden.

Die Heimatlosigkeit manifestiert sich darin, daß die wahlentscheidenden Stimmen dieses Lagers entweder nicht abgegeben werden (Wahlenthaltung) oder als Warnung vor einer politischen Fehlentwicklung einer Drittpartei, sogar dem politischen Gegner (Protestwähler) zufallen. Die Heimatlosigkeit der politischen Mitte zeigt sich auch darin, daß deren parteipolitischer Hauptableger - die CDU - ihre politische Glaubwürdigkeit und damit ihre Mehrheitsfähigkeit, beziehungsweise Regierungsfähigkeit, verloren hat.

Dies ist der rote Faden, der sich seit September 1998 mit zunehmender Tendenz durch alle Wahlen zieht.

Die wahlentscheidende Mehrheit des bürgerlichen Lagers empfindet völlig zu Recht, daß die jeweiligen Inhaber der Regierungsgewalt nicht in der Lage sind, den Rechtsschutz und die Rechtssicherheit sicherzustellen, die dem Bürger vom Staat (Exekutive, Gesetzgebung und Rechtsprechung) verfassungsrechtlich geschuldet wird (Art. 20, Abs. 1 und 2 GG): Schutz vor Kriminalität und Schutz des privaten Eigentums gegen Enteignung jeglicher Art. Bei Lichte besehen hat der Beitritt nicht zur verfassungsrechtlich garantierten Wiederherstellung des Privateigentums, sondern ganz überwiegend - bezogen auf die enteigneten Flächen und deren Wert - zur Aufrechterhaltung von Staatseigentum geführt, also zum Gegenteil dessen, was sich das bürgerliche Lager politisch-verfassungsrechtlich erhoffen durfte: die Beseitigung oder zumindest angemessene Entschädigung der ohne Ausnahme völker- und verfassungsrechtswidrigen DDR-Enteignungen. Auch insofern ist der Beitritt bisher fehlgeschlagen. Die staatlich organisierte oder auch nur geförderte Mißachtung des Privateigentums ist stets und zuverlässig der Indikator eines sich anbahnenden Unrechtsstaates.

 

Peter Langreuter arbeitet seit der Wende als Notar in Gotha/ Thüringen


 
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