© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/01 26. Oktober 2001

 
Starker Staat im Zeichen des Danebrog
Ein Ausläufer der Konservativen Revolution im Norden: Die Partei Danks Samling in den dreißiger und vierziger Jahren
Matthias Bath

In Dänemark wurden wohl nur wenige zeitgeschichtliche Fragen kontroverser diskutiert als die Bewertung der in Deutschland nahezu unbekannten Partei Dansk Samling („Dänische Sammlung“) während der dreißiger und vierziger Jahre. Die im Frühjahr 2001 als Ergebnis einer fünfzehnjährigen Forschungstätigkeit erschienene Arbeit des Kopenhagener Historikers Henrik Lundbak dürfte einen zumindest vorläufigen Schlußpunkt dieser Diskussion markieren.

Lundbak, der beruflich am Freiheitsmuseum über den dänischen Widerstand während des Zweiten Weltkrieges tätig ist, bietet eine umfassende Darstellung der Partei Dansk Samling sowohl hinsichtlich ihrer politischen Vorstellungen als auch ihrer praktischen Tätigkeit vor und während des Zweiten Weltkrieges und ihres Scheiterns in der Nachkriegszeit.

Dansk Samling entstand 1936 im Ergebnis der Veröffentlichung des Buches „Der moderne Mensch“ des ursprünglich aus einem sozialdemokratischen Milieu stammenden Autors Arne Sørensen. „Der moderne Mensch“ zeichnete aus kulturkritischer Sicht die Entwicklung von der Renaissance zur modernen Massengesellschaft nach, die mit einem stetigen Verlust an „ethischen Normen“ - oder direkter gesagt: „christlichen Wertvorstellungen“ - einhergegangen sei. Infolgedessen seien die liberalistisch-demokratischen Gesellschaften der westlichen Länder einerseits und die neuen totalitären Gesellschaften Deutschlands, Italiens und der Sowjetunion andererseits entstanden. Aus Sørensens Sicht gingen von diesen beiden Gesellschaftskonzepten gleichermaßen Gefahren für die traditionelle, auf christlich-nationalen Grundlagen beruhende dänische Gesellschaft aus.

Dansk Samling stellte diesen als Herausforderung angesehenen Gefahren den sogenannten „Dritten Standpunkt“ entgegen, der sich sowohl gegen den „totalen Liberalismus“ der westlichen Demokratien als auch gegen die Bedrohung der Freiheit durch den neuen Totalitarismus aus Deutschland und der Sowjetunion wandte.

Schwerpunkt war dabei weniger die Vorstellung einer betont christlichen Politik, obwohl christliche Wertvorstellungen von der Programmatik der neuen Partei kaum zu trennen waren. So kam man zur Ablehnung des individualistisch liberalen Freiheitsbegriffes. Statt dessen verband man Freiheit mit Begriffen wie Pflicht und Verantwortung. Dansk Samling bekannte sich darüber hinaus zur nationalen dänischen Gemeinschaft, wobei Christentum und Nation als eine feste Einheit angesehen wurden.

Der Historiker Lundbak sieht in letzterem die Grundlage zu einer originär dänischen Komponente einer modernen nationalistischen Bewegung. Während die dänischen Nationalsozialisten der DNSAP stets ein Imitat ihrer deutschen Vorbilder blieben, bot die Ideologie der Dansk Samling eine Vorstellung davon, wie „dänischer Faschismus“ hätte aussehen können. Tatsächlich aber blieb Dansk Samling der politische Erfolg zunächst weitgehend versagt. Die Mitgliederzahl lag bei Kriegsausbruch 1939 knapp über 1.500, wovon gut die Hälfte im Großraum Kopenhagen wohnte. Andererseits sprachen die politischen Ideen der Partei vor allem jüngere, intellektuell geprägte und aktivistisch gesonnene Kreise an.

Im Gegensatz zu anderen Rechtsgruppen verweigerte sich Dansk Samling jedoch nach der deutschen Besetzung Dänemarks am 9. April 1940 jeder Kooperation mit der Besatzungsmacht. Die Partei lehnte aber auch die Zusammenarbeit mit der dänischen Regierung und den etablierten Parteien ab. Ab 1941 schlug sie den Weg einer Politik fortgesetzter kalkulierter Provokationen gegenüber der dänischen Regierung und der deutschen Besatzungsmacht ein, der ihr einerseits bei den Parlamentswahlen im März 1943 als Protestpartei mit drei Mandaten den Einzug in das dänische Parlament bescherte und andererseits die Partei mental auf Formen der illegalen Arbeit vorbereitete.

Unabhängig von der offiziellen Arbeit der Partei hatten Mitglieder von Dansk Samling, darunter auch hochrangige Funktionäre, bereits seit Frühjahr 1942 Kontakt zu Fallschirmagenten des britischen SOE gefunden. Nachfolgend schlossen sich immer größere Teile der Parteimitgliedschaft dem illegalen Widerstand gegen die deutsche Besatzungsmacht an und stellten so die erste Generation etwa der Sabotageorganisation „Holger Danske“. Dansk Samling war schließlich im Herbst 1943 eine der vier Organisationen, die hinter dem dänischen „Freiheitsrat“ als Koordinationszentrum der Widerstandsbewegung standen. Der Parteivorsitzende Sørensen, der selber seit dem 29. August 1943 im Untergrund lebte, trat als ihr Vertreter Ende 1943 in den Freiheitsrat ein.

Rückblickend betrachtet, war Dansk Samling die neben den Kommunisten führende Kraft der Widerstandsbewegung und trug letztlich mit dazu bei, eine kommunistische Dominanz dieser Bewegung zu verhindern. Den Mitgliedern der Partei forderte ihre Widerstandsarbeit einen hohen Blutzoll ab.

Nach Kriegsende gehörte die Partei der Übergangsregierung an, die bis zu den Wahlen im Oktober 1945 amtierte. Bei diesen Wahlen konnte sich Dansk Samling nur geringfügig auf vier Mandate verbessern und schied nachfolgend aus der Regierung aus.

In der Folgezeit war Dansk Samling bemüht, ihre Politik unter dem Schlagwort eines „christlichen Realismus“ neu zu definieren, wobei man sich den seinerzeit in anderen europäischen Ländern entstehenden christlich-demokratischen Parteien verbunden fühlte. Bekannter wurde die Partei allerdings durch ihre Forderung, Südschleswig an Dänemark anzugliedern.

Bei den Wahlen 1947 schied Dansk Samling aus dem „Folketing“ und damit aus der dänischen Politik aus. Der Parteigründer Sørensen und andere Protagonisten der Partei verließen diese und näherten sich teilweise wieder der Sozialdemokratie oder linkssozialistischen Gruppen an. Dansk Samling blieb jedoch als Splittergruppe bis auf den heutigen Tag bestehen. 1995 zählte die Partei nach eigenen Angaben noch 150 Mitglieder.

Neben dieser Darstellung der Parteigeschichte rundet Lundbak seine Arbeit mit ausführlichen Exkursen zu den Themen „Konservatismus, Rechtsradikalismus, Faschismus“ für die dreißiger Jahre und „Antifaschismus, Kommunitarismus und Nachkriegszeit“ für die zweite Hälfte der vierziger Jahre ab. In diesen Exkursen ordnet Lundbak die Entwicklung von Dansk Samling in allgemeine europäische Trends ein und vergleicht sie mit parallelen Erscheinungen in Italien, Deutschland, Norwegen, Holland und Frankreich. Auch wenn Lundbak den Begriff nicht verwendet, kann man Dansk Samling wohl in ihrer Anfangsphase als einen, allerdings stark christlich geprägten, dänischen Ausläufer der „Konservativen Revolution“ der Zwischenkriegszeit sehen.

Daß Lundbak nicht auf den Begriff der „Konservativen Revolution“ Bezug nimmt, sondern eher unreflektiert den Begriff „Faschismus“ zugrunde legt, weist auf seine eigene inhaltliche Ferne zu dem beschriebenen Phänomen hin. Zugleich ist aber sein Bemühen um eine objektive Darstellung unverkennbar. Im Ergebnis ist ein faktenreicher, gut lesbarer Überblick entstanden, der dem des Dänischen mächtigen Leser durchaus empfohlen werden kann.

Henrik Lundbak: Staten staerk og folket frit. Dansk Samling mellem fascisme og nodstandskamp 1936-47. Verlag Museum Tusculanum, Kopenhagen 2001, 728 Seiten, 350 dkr.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen