© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/01 26. Oktober 2001

 
Kolumne
Verlorener Posten
Klaus Motschmann

Die politische Entwicklung der CDU wird seit Jahren von der fixen Idee bestimmt, daß die Wahlen „in der Mitte“ gewonnen werden. Das mag unter bestimmten Umständen auch zutreffen; dann nämlich, wenn die „Mitte“ politisch noch nicht besetzt und ein ausreichendes Wählerpotential noch vorhanden ist. Das ist in Berlin aber schon seit längerem nicht mehr der Fall. Deshalb mußte die Drängelei in der Mitte nach den einfachsten Gesetzen der Logik zum bekannten Desaster für die CDU führen. Es bestätigt aufs neue die alte Erkenntnis, daß politische Wahlen weder „in der Mitte“ noch „links“ oder „rechts“ gewonnen werden, sondern dort, wo man glaubwürdige Antworten auf die drängenden Fragen der Gegenwart und klare Perspektiven für die Zukunft vermittelt und dabei nicht nur die eigene Gefolgschaft, sondern immer auch die potentiellen Wähler im Auge behält.

Das hat die CDU sträflich versäumt. In Berlin gewiß besonders offenkundig, aber eben nicht nur in Berlin, sondern bundesweit. In diesem Kontext sei nur an die ständig wiederkehrende Frage nach dem verlorenen „C“ im Parteinamen erinnert und an alle damit zusammenhängenden Konsequenzen (Paragraph 218), die zu einem wohlkalkulierten Verlust der politischen Glaubwürdigkeit geführt haben. Doch nicht nur dies!

In dem seit Jahren währenden „Kampf gegen Rechts“ ist die CDU immer wieder mit besonders markigen Beweisen ihrer Maxime hervorgetreten, daß rechts von ihr keine Partei demokratisch legitimiert werden dürfe. Sie hat damit dazu beigetragen, daß etwa 15 bis 20 Prozent unseres Volkes in eine strenge politische Quarantäne gestellt worden sind.

Auf diese Weise hat die CDU einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, ein politisch-geistiges Klima zu erzeugen, das nun auf sie zurückschlägt.Wenn dem CDU-Spitzenkandidaten Frank Steffel im Wahlkampf allen Ernstes „rassischtische“ und „antikommunistische“ Äußerungen aus seiner Pennälerzeit zum „Beweis“ für seine Gesinnung vorgehalten werden konnten, dann ist dies andererseits ein Beweis dafür, daß er unter den angedeuteten Zuständen keine Chance hatte.

Einstweilen wird er noch als Sündenbock für das CDU-Desaster herhalten müssen und damit zur (Selbst-)Täuschung der CDU und der Öffentlichkeit. Doch merke: Täuschungen führen über kurz oder lang zu Ent-Täuschungen. Die nächste Enttäuschung wird damit vorprogrammiert: Das Ergebnis der Bundestagswahl im nächsten Jahr.

 

Prof. Dr. Klaus Motschmann lehrte Politikwissenschaft an der Hochschule der Künste in Berlin.


 
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