© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/01 26. Oktober 2001


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Grundsatztreue
Karl Heinzen

Es ist nicht auszuschließen, daß der eine oder andere Bürger bei der letzten Bundestagswahl die Grünen oder vielleicht sogar die SPD wählte, weil er sich nach den Balkanabenteuern der Natohörigen Regierung Kohl eine friedliche Außenpolitik wünschte. Diese Menschen sollten, sofern nicht auch sie sich unterdessen von der Vorfreude der Meinungsführer auf einen spannenden Krieg unter deutscher Betei­ligung haben anstecken lassen, nun nicht zu unnachsichtig mit einer Re­gierung umgehen, die doch im Grunde genommen nichts anderes tut als das, was die Verbündeten von ihr erwarten.

Gerade wer für eine Kultur des Miteinanders eintritt, darf seine Ziele nicht durch eine für die meisten Menschen kaum nachvollziehbare Empörung über die militaristische Politik der Berliner Republik desavouieren. Ganz unabhängig von der durch eine Verweigerungsmenta­lität sowieso nicht aus der Welt zu schaffenden Tatsache eines Angriffskrieges muß das Gespräch mit jenen gesucht werden, die ihn vorbereiten, für ihn werben oder sogar von ihm profitieren wollen. Wer Gerhard Schröder oder Joschka Fischer bezichtigt, das Grundgesetz auszuhöhlen und zugleich das Völkerrecht zurechtzubie­gen, damit deutsche Soldaten nicht zu kurz kommen, wenn es irgendwo auf der Welt ans Töten geht, sollte bedenken, daß sich Helmut Kohl und Klaus Kinkel höchstwahrscheinlich genauso verhalten hätten. Allenfalls das Säbelrasseln wäre vermutlich, bedingt durch den Erlebnisho­ri­zont des Altkanzlers, unterblieben.

Die neue Kriegspolitik Berlins verstößt zudem nur in der Wahl ihrer Mittel ge­gen den Geist der Potsdamer Beschlüsse, der für die gute, alte Bundesrepublik konstituierend und verpflichtend war. Die Ziele, die verfolgt werden, stehen durchaus in der Kontinuität der bewährten Nachkriegsordnung, die kein Terro­rismus der Welt zu erschüttern vermag. Der Krieg, den die Bundeswehr zu führen beabsichtigt, ist eine Fortsetzung des Friedens mit anderen Mitteln. Es sind die gleichen Grundsätze, die vertreten werden, nur eben - leider - unter Waffeneinsatz. Diese Grundsätze sind auch nicht vage und dehnbar, sondern an den Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika konkret festzumachen. Daß die Bundeswehr dabei unverändert kein Feindbild vor Augen hat, ergibt sich allein schon daraus, daß sie noch gar nicht weiß, wen sie überhaupt angreifen soll - Afghanistan, den Irak, Syrien, den Sudan oder wen auch immer.

Gerhard Schröder und Joschka Fischer sind offen für den Krieg, aber keine Sympathisanten des Milieus, das ihn zu führen hat. Wäre es anders, würden sie nicht so unverzagt über Leben und Tod der Soldaten disponieren. Immer neue Auslandseinsätze von immer mehr Angehö­rigen der Bundeswehr sorgen für eine faktische Entmilitarisierung des Bundesgebietes. Schon bald könnte die Gleichsetzung von Soldaten mit Mördern nicht länger als eine fragwürdige Mei­nungsäußerung aufgefaßt werden: All dies müßte doch selbst radikale Pazifisten mit dieser Regierung versöhnen.


 
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