© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/01 19. Oktober 2001

 
Keiner will e-lesen
Die Verlage scheuen das elektronische Buch
Bernd-Thomas Ramb

Die Frankfurter Buchmesse, die Nabelschau der Literatur schlechthin, tut sich schwer mit den technologischen Neuerungen. Nicht daß sie ganz übergangen würden, aber schon die Plazierung der Sektion „Elektronische Medien“ in Halle 1, fernab von den Verlags-Magneten in Halle 3 oder 4, und auch die Entdeutschung der Bezeichnung in „Electronic Media“ mit der Zugabe „für e-publishing“ sagt bereits viel über das ängstliche Verhältnis des klassischen deutschen Buchdrucks zu den modernen Informationsvermittlungsapparaten. Dabei berichtet die Messeleitung stolz, daß bereits jeder dritte der 6.800 Aussteller elektronische Produkte anbietet - und sei es auch nur die CD-Rom mit der Auflistung des Verlagsprogramms.

Als nette, modische Ergänzung mag die eine oder andere Spielerei der Computertechnologie noch akzeptiert sein, die breite Palette der Möglichkeiten wird dabei aber noch lange nicht ausgeschöpft. Im Vordergrund soll stets das gedruckte, papierne Werk stehen, denn der Leser will es angeblich so - schon aus ästhetischen Gründen. Das mag für bibliophile Bildbände und exklusive Editionen zutreffen, im Alltaggebrauch des Massenmediums Buch wirkt die Maxime des Althergebrachten langfristig doch eher tödlich. Selbst für den am klassischen Buchkonsum ausgerichteten Vielfachleser stellt sich eines Tages schon die Frage, wohin mit all den Büchern.

Dabei gibt es so überzeugende technologische Möglichkeiten. Als gutes Beispiel, sowohl für die Chancen als auch für die Widerstände, auf die sie stoßen, ist das Konzept der französischen Firma „Cybook“ anzuführen. Da wird ein etwa DIN-A4-großer LCD-Bildschirm in praktischer Lederhülle als Lesetablett angeboten, das über einen drahtlosen oder verkabelten Internetanschluß bis zu 15.000 Buchseiten laden und speichern kann. Das entspricht einer Kapazität von etwa 50 Büchern. Die in Größe und Schrifttyp veränderbare Schrift bietet eine vorzügliche Lesbarkeit, die Batterien reichen für ein fünfstündiges Lesevergnügen. Der Abends-im-Bett-Leser erspart sich sogar die Leselampe. Selbst ein Stereoverstärker mit Kopfhörerausgang ist vorhanden.

Der Nachteil: Bisher existiert nur französische Literatur für dieses System. Demnächst sollen zwar auch zunehmend englische Bücher abrufbar sein, die deutschen Verlage halten sich jedoch bedeckt. An der Furcht vor Raubkopien kann es nicht liegen, denn jedes „Cybook“ hat einen eigenen Entschlüsselungscode und bezahlt werden alle Bücher, die aus der Internetdomäne des elektronischen Buchverlegers heruntergeladen werden. Für jede elektronisch publizierte Ausgabe fließen somit die Tantiemen. Auch ein Kopieren von Cybook zu Cybook ist nicht möglich. Ein einmal geladenes Buch kann jedoch jederzeit erneut auf dasselbe Cybook geladen werden, so daß Teile des Speichers laufend für neuere Literatur gelöscht werden können, ein früher einmal gelesenes (und bezahltes) Buch aber stets wieder eingespeist werden kann.

Insgesamt präsentiert das Cybook ein faszinierendes Konzept, das allerdings zunächst einmal die hohe Hürde der Vorbehalte technologisch unbedarfter deutscher Verleger nehmen muß. Solange dieses Hindernis nicht überwunden ist, hat das neue Buchmedium keine Chance auf weite Verbreitung. Die aber ist zwingende Voraussetzung für ein Sinken des zur Zeit noch horrenden Preises von um 3.000 Mark, der kaum auf breite Käuferschichten treffen dürfte. Gerade für das Durchbrechen dieses Teufelskreises hätte die Frankfurter Buchmesse eine geeignete Plattform bieten können. Vielleicht gelingt dies im nächsten Jahr.


 
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