© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/01 19. Oktober 2001 |
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LOCKERUNGSÜBUNGEN Vorbildfunktion Karl Heinzen Die 96,6 Prozent der Delegierten-stimmen, die Edmund Stoiber bei seiner Wiederwahl zum Vorsitzenden der CSU einfahren konnte, sind sicher kein Signal für irgendeine Form von Aufbruchstimmung, noch sollten sie als Sympathiewert mißverstanden werden. Man darf sie aber als ein Zeichen der Anerkennung für einen Mann werten, der in diesen Monaten alle Tragik durchlebt, die eine Parteiendemokratie zu bieten hat. Sollte nämlich auch er der Auffassung sein, daß in jenem Fall, in dem die christlichen Schwesterparteien den Bundeskanzler zu stellen hätten, aus ihren Reihen eigentlich nur er in Frage kommen kann, hätte er allen Grund, sich zu grämen, weil der Zug schon abgefahren ist: Im nächsten Jahr kann Edmund Stoiber nicht Kanzler werden, weil die Union die Wahl verlieren wird und daher schlecht beraten wäre, jemand anderen als Angela Merkel, die ein solches Ergebnis glaubwürdig zu verkörpern vermag, zum Spitzenkandidaten zu küren. Im Jahr 2006 schließlich sollte die Feier seines 65. Geburtstages eine würdige Gelegenheit bieten, das Resümee seiner politischen Karriere zu ziehen. Die CSU jedenfalls kann froh sein, wenn sie nach dem peinlichen Scheitern von Franz Josef Strauß im Jahr 1980 nicht erneut in Versuchung geführt wird, sich auf bundespolitisches Terrain vorzuwagen. Damals, vor der Wiedervereinigung, mag sie ja als Partei tatsächlich einflußreich gewesen sein, allein schon, weil das von ihr beherrschte Bayern als Bundesland Gewicht hatte. In der Berliner Republik ist sie eine Randerscheinung, die davon lebt, daß sie ihren Regierungsbonus im Freistaat auch bei Bundestagswahlen aktivieren kann und daher im Augenblick noch nicht die Probleme der PDS mit dem Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde teilt. Die Aufgabe der CSU ist es nicht, jenseits ihres regionalen Rahmens gestaltend Einfluß zu nehmen, sondern darzustellen, wie weit eine Politik, so sie den Interessen des deutschen Volkes Rechnung tragen wolle, gehen darf. Hier hat Edmund Stoiber konsequent mit allen Vieldeutigkeiten, die ihren Zweck einst ja keineswegs verfehlten, aufgeräumt. Die CSU ist sich bewußt, daß das Beharren auf einer durchaus nicht im engen Sinn als deutsch, sondern vor allem abendländisch verstandenen Leitkultur Hand in Hand gehen muß mit den Bemühungen, die Entfernung der gesellschaftlichen Realität von dieser entschlossen und unnachgiebig zu moderieren. Je älter die Wähler im Durchschnitt werden, desto mehr werden sie auf ihrem Anspruch bestehen, zu Lebzeiten von Konflikten, die sie in ihrem Lebensgenuß beeinträchtigen könnten, zu verschonen. Wer Einwanderern, die es an Demut vor unserer Ordnung vermissen lassen, und jugendlichen Rabauken, die vor lauter Identitätsfanatismus vergessen, daß doch auch ihre Renten dereinst von irgend jemandem bezahlt werden müssen, plakativ die Stirn bietet, darf auf vermehrte Wählerresonanz zählen. Die CSU hat hier Vorbildfunktion. Sie findet dabei schon heute mehr Nachahmer, als ihr recht sein kann. |