© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/01 19. Oktober 2001

 
PRO&CONTRA
Alle Ministerien nach Berlin verlegen?
Klaus-Jürgen Hedrich / Friedhelm Julius Beuchel

Als seinerzeit die Arbeitsteilung zwischen Berlin und Bonn im sogenannten Berlin/Bonn-Gesetz haargenau festgeschrieben wurde, konnte man sich nicht auf die Erfahrungen aus konkreten Präzedenzfällen hinsichtlich räumlich geteilter Regierungssitze stützen. Damals mag das Modell getrennter Dienstsitze in der Theorie erfolgversprechend ausgesehen haben. Die mittlerweile mehrjährige Praxis Berlin/Bonner Regierungstätigkeit ist jedoch stark differenziert zu betrachten.

So gut wie alle Ministerien haben in ihrer tagtäglichen Regierungsarbeit erhebliche Beschwerlichkeiten hinzunehmen, die im übrigen nicht nur einen beträchtlichen finanziellen Mehraufwand für Reisen zwischen Bonn und Berlin verursachen. Denn nur schwer abzuschätzen sind die negativen Folgen für die Effizienz des Regierungshandelns, die durch den Zeitaufwand für das „Regierungspendeln“ und trennungsbedingte ministeriumsinterne Kommunikationsprobleme entstehen.

Herbe Kritik kam mittlerweile auch vom Bund der Steuerzahler und immerhin aus den Reihen des Bundestages, wo eine fraktionsübergreifende Gruppe junger Abgeordneter sogar für einen baldigen Totalumzug aller Ministerien Richtung Berlin plädierte. Mag man die trennungsbedingten Defizite aus übergeordneten politischen Erwägungen für eher innenpolitisch orientierte Ressorts im Interesse der „Bundesstadt Bonn“ noch akzeptieren, ist die komplette Umsiedlung eines Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in die Hauptstadt Berlin unumgänglich. Denn eine starke deutsche Entwicklungspolitik lebt von einer möglichst engen Kooperation mit den in der Hauptstadt ansässigen ausländischen Botschaften und Ministerien wie dem Auswärtigen Amt oder dem Wirtschaftsministerium. Aus der Bonner Ferne ist dies selbst mit modernen Kommunikationsmedien wie Videokonferenzen etc. kaum zu bewerkstelligen.

 

Klaus-Jürgen Hedrich ist CDU-Bundestagsabgeordneter und entwicklungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion.

 

 

Die Forderung „alle Ministerien nach Berlin“ ist eine populistische Forderung, die durch den allwissenden Steuerfachmann Däke unterstützt wird, der sich manchmal wie ein Ersatzparlament aufspielt. Ich erinnere mich noch sehr genau daran, daß seine Vorgängerin schon große Sparmodelle für Regierung und Parlament entwickelte, bis sie als Abgeordnete der CDU-Fraktion förmlich sang- und klanglos verschwand und nicht mehr einen einzigen Sparvorschlag einbrachte. Das heißt, daß Sein bestimmt das Bewußtsein - auch in diesen Fragen.

Ich halte die Arbeitsteilung für politisch so gewollt. Daß sie im Einzelfall mehr Kosten mit sich bringt ist nicht wegzudiskutieren. Aber das ist auch der Preis, den wir für unseren förderalen Staat, für 50 Jahre Bundesrepublik und die von vielen nicht mehr erwartete Wiedervereinigung zu bezahlen haben. Das ist eine Aufteilung von Aufgaben, die auf verschieden Landesschultern getragen werden und macht natürlich das Arbeiten für den einen oder anderen anstrengend. In den USA fragt zum Beispiel keiner danach, wer täglich im Flugzeug sitzt, um von Washington nach New York oder nach Atlanta zu fliegen. Wir Deutschen bewegen uns in solchen Fragen oft sehr hasenfüßig. Eine Flugstunde zwischen Bonn und Berlin ist eine überschaubare verkehrliche Größe. Es wird in der ganzen Diskussion der Eindruck erweckt, als ob ständig alle Ministeriumsvertreter zu allen Sitzungen hier anwesend sein müssen. Durch geschickte Organisation und moderne Kommunikationstechnologien kann man diesen Aufwand minimieren. Insofern kommt hier eine Menge Unwissen über Arbeitsabläufe mit eben populistischen Forderungen nach Steuersparerfordernissen zusammen und bringt die ganze Diskussion in eine Schieflage.

Das Gesetz „Arbeitsteilung zwischen Bonn und Berlin“ kann nur durch ein Gesetz aufgehoben werden. Dafür sehe ich weder kurz- noch mittelfristig Mehrheiten.

 

Friedhelm Julius Beuchel ist SPD-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Sportausschusses.


 
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