© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/01 19. Oktober 2001

 
Der zögerliche Macher
Für Edmund Stoiber ist das Bundeskanzleramt kein „Traumjob“
Carl Gustaf Ströhm

Nach einer temperamentvollen Rede erzielte Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber letztes Wochenende auf dem CSU-Parteitag ein Traumergebnis: 96,6 Prozent der Delegierten wählten ihn erneut zum Vorsitzenden der CSU. Es gab stehende Ovationen für den - wie man in einigen Medien nachlesen konnte - „Star des konservativen Lagers“. Es ließ sich mit den Händen greifen: die Delegierten sehen in Stoiber nicht so sehr den erfolgreichen bayerischen „Landesfürsten“, sondern vor allem den einzig denkbaren Herausforderer Schröders und seiner Koalition bei den Bundestagswahlen im Herbst 2002.

Daß sie von CDU-Chefin Angela Merkel nichts halten, hatten die CSU-Bayern am Vortag bewiesen. Doch der so eindrucksvoll auf den Kandidaten-Schild gehobene 60jährige Stoiber war sichtlich keineswegs froh, sondern eher verlegen. Immer wieder betonte er, die Unionsparteien müßten zwar einig sein - jedoch der Kanzlerkandidat stehe jetzt nicht zur Diskussion, bestenfalls irgendwann im nächsten Frühjahr. Selten gab es einen präsumtiven Kanzlerkandidaten, der so wenig Begeisterung über seinen möglichen künftigen „Traumjob“ an den Tag legte.

Offensichtlich fürchtet Stoiber, bei der bevorstehenden Konfrontation mit Schröder zu kurz zu springen und als Verlierer aus dem Wahlkampf des nächsten Jahres auszusteigen. Am Ende könnte sich Stoiber „zu Tode siegen“: Da die Union außer den unzuverlässigen Freien Demokraten über keinen festgefügten Koalitionspartner verfügt - wie eine bundesweit agierende „Schill-Partei“ abschneiden könnte, steht noch in den Sternen - sie ganz allein auf sich gestellt. Jetzt rächt sich, daß die 1976 im oberbayrischen Wildbad Kreuth vom damaligen CSU-Chef Franz Josef Strauß initiierte Trennung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und damit das Projekt einer „vierten Partei“ aus provinzieller Ängstlichkeit und aus Furcht vor dem Verlust möglicher bajuwarischer Seligkeit abgeblasen wurde. Auch die These, wonach es „rechts von der Union keine legitimierte demokratische Kraft“ geben dürfe, erweist sich spätestens seit der haushoch verlorenen Bundestagswahl von 1998 als Schlinge, die sich CDU/CSU selbst um den Hals gelegt haben. Die EVP-Kollegen aus Wien, Rom oder Budapest sind da flexibler - und erfolgreicher.

Gewiß ist es eindrucksvoll, wenn Stoiber mit dem erfolgreichen weiß-blauen Freistaat und mit der „Südschiene“ der unionsregierten Länder Bayern, Baden-Württemberg und Hessen argumentiert. Doch so lange im Bund rot-grün den Ton angibt, bleibt auch die schönste süddeutsch-alpine „Insel der Seligen“ im Grunde Illusion. „Deutschland braucht eine politische Veränderung“, rief Stoiber in Nürnberg - aber als es dann an die Einzelheiten ging, blieb auch er seltsamer Weise im Pragmatischen und Technokratischen hängen: noch mehr Polizisten, schärfere Maßnahmen gegen islamische Extremisten, Erhöhung der Personalstände beim Verfassungsschutz. Es war , als sei zwischen Stoiber und Schily ein Wettlauf entbrannt, wer wen in der Sicherheitsfrage „rechts“ überholen könne.

Worin also unterscheidet sich Stoiber von Schröder, von Schily, sogar von „Joschka“ Fischer - außer, daß er nochmals mehr Polizisten einsetzen und Verfassungsschützer aktivieren will - und noch um eine Umdrehung mehr „Solidarität mit den USA“ postuliert? Auffallend ist jedenfalls, daß Stoiber ganz im „Macherischen“ steckenbleibt: die wirklich großen Fragen und Herausforderungen der Zeit wurden von ihm in Nürnberg kaum berührt. Das beginnt bei einer so banalen Frage wie dem Verfassungsschutz: Soll dieser unbescholtene Bürger überwachen? Haben sich nicht die deutschen Sicherheitsorgane den „Rechtsextremismus“ als Popanz aufgebaut - anstatt sich auf wirkliche Gefahren zu konzentrieren? Hat der bayerische Ministerpräsident nicht bemerkt, daß der Verfassungsschutz auch dazu gebraucht (oder mißbraucht) wird, um nicht-linke Meinungen zu bekämpfen - also gegen die Menschen vorzugehen, die an sich der CSU nicht fernstehen?

Auch in der einst konservativen CSU ist der Begriff „christlich“ kein Thema mehr. Wäre das anders, hätte man doch erwartet, daß sich Stoiber etwa zu der Verleihung des Buchhandelpreises an einen Mann äußert, der von Frankfurt aus die Grundlagen der von der CSU mitgegründeten Republik erfolgreich ausgehöhlt hat und der inzwischen vom unermüdlichen einstigen Straßenkämpfer „Joschka“ zum - man höre und staune - „Staatsphilosophen der Bundesrepublik“ proklamiert wurde. Die Frankfurter Schule als deutsche Staatsideologie - wie kommt es, daß der Chef der bedeutendsten konservativ-christlichen Partei in Deutschland nichts dazu zu sagen weiß? Wie kommt es, daß er mit keinem Wort die eklatante Linksverschiebung der deutschen veröffentlichten Meinung registriert, obwohl diese Entwicklung gerade seiner Partei auf Dauer sehr gefährlich werden muß? Merkt er nicht, daß nicht etwa Rechtsextremisten, sondern ganz normale Bürger in diesem Lande Angst haben und sich nicht trauen, gegen den eklatanten linken Meinungsdruck aufzutreten?

Wer das konservative, christliche, heimatverbundene Deutschland führen will, darf sich nicht die Themen von der Gegenseite vorschreiben lassen. Es sei denn, er gibt die Schlacht verloren, bevor sie noch begonnen hat.


 
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